Wie der Papst und Zypern uns in Sicherheit wiegen

Werte Leserinnen und Leser,

dieser Tage beherrschen die Papstwerdung und die alternativlose Rettung des bankrotten Inselstaats Zypern unsere Meldungen. Es geht dort um vergleichsweise geringe Beträge; es fehlt etwa jene Summe, die Deutschland pro Jahr für das heterosexuelle Ehegattenspltting ausgibt. Frau Merkel hat durchsetzen lassen, dass auch die zypriotischen Kleinsparer ihren Beitrag leisten sollen, und viele fragen sich, ob das 2008 abgegebene Versprechen, deutsche Sparguthaben seien sicher, noch gilt.

Kaum jemand hat dabei Notiz genommen von einem anderen Gesetzgebungsverfahren, das für die deutsche Bevölkerung weitaus größere Bedeutung haben kann: die schwarzgelbe Koaltition hat unter dem sperrigen Titel  „Änderung des Telekommunikationsgesetzes und Neuregelung der Bestandsdatenauskunft“ einige weitgehende Überwachungsmaßnahmen beschlossen.

Unter „Bestandsdaten“ wird dabei eine erweiterte Kundendatenbank der Telekommunikationsprovider verstanden. Dort stehen Ihre persönlichen Daten drin: Name, Adresse, Telefonnummer. Dazu kommt Ihre Super-PIN Ihres Mobiltelefons als Generalpasswort, mögliche weitere Passwörter als Zugang zu e-Mail-Konten und neuerdings auch Ihre IP-Adresse, wenn Sie online unterwegs sind.

Falls Sie nun annehmen, dass solcherlei Abfragen doch wohl eher nur bei schweren Straftaten getätigt werden sollten, darf ich Sie gerne eines besseren belehren. Unsere Sicherheitsfanatikerpolitiker wollen den Polizeien und den Geheimdiensten keine strengen Auflagen machen – schon ein Falschparkerticket soll zur automatischen Abfrage der Bestandsdaten ohne Richtervorbehalt genügen: „…im Einzelfall zum Zweck der Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben…“.

In einer Sachverständigen-Anhörung des Innenausschusses am 11.03. wandten nun Datenschützer ein, dass so sensible Daten wie Passwörter und die IP-Adresse nicht ohne Richtervorbehalt ausgegeben werden dürften. Peter Wirth vom bayerischen LKA hingegen lobte den Vorschlag: er sei nicht mit “Formvorschriften” überfrachtet – ein Richtervorbehalt würde die Ermittler immer nur “viel Zeit kosten”.

Wow – wer solche Beamte hat, braucht keine weiteren Verfassungsfeinde.

Aufgrund der Bedenken vieler Sachverständiger hatte die schwarz-gelbe Koalition aber doch ein Einsehen: Nun wurde der Richtervorbehalt für die Abfrage der IP-Adresse, der Passwörter und der PIN eingefügt, alles andere bleibt unverändert. Nur: was nutzt der Richtervorbehalt, wenn das Instrument der Bestandsdatenabfrage selber sich zum Standard entwickelt, weil es bei praktisch jeder Gelegenheit genutzt werden darf? Kein Richter wird  Zeit in eine Prüfung eines solchen Standardantrags investieren.

Und wie immer ist die SPD vorn mit dabei und wird dem Gesetzentwurf zustimmen. Ich wiederhole daher meine Frage von neulich: Haben die Genossen in ihrer 150-jährigen Parteiengeschichte nicht schon mehrfach leidlich erfahren müssen, was geschieht, wenn so viel Macht in die falschen Hände gerät?

Lassen wir uns also von unseren großen Volksparteien ein weiteres Stück des Weges hin zur totalen Sicherheit geleiten. Denn Krieg ist Frieden! Freiheit ist Sklaverei! Und Ignoranz ist Stärke!*

Es grüßt herzlich,

Ihr JeanLuc7

*nach George Orwells 1984.

 

 

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