Wie man die Freiheit erdrosselt

Werte Leserinnen und Leser,

Die Telekom hat nun die bereits in den Foren diskutierte Absicht, Festnetz-Internetverträge zu drosseln, offiziell verkündet. Kunden bekommen nach einem Download von 75GB innerhalb eines Monats nun nur noch einen Zugang mit einer Geschwindigkeit von 384 kBit pro Sekunde. Das ist die Hälfte dessen, was 1999 als schnelles DSL-Internet verkauft wurde. Der Upload wird vermutlich entsprechend angepasst, 64 kBit pro Sekunde dürften es werden – das entspricht der seit 1990 verfügbaren ISDN-Geschwindigkeit.

Man kann das ganze von der kommerziellen Seite aus sehen – sollen die Vielnutzer doch einfach Zusatzverträge buchen. Oder anders: Warum sollen die Wenignutzer für alle anderen mitzahlen? Und man kann es auch von der sportlichen Seite aus sehen: Dann wechseln wir eben zum nächsten Provider – am besten im Kabelnetz, weil dort die erzielbaren Datenraten soweiso noch einmal höher sind als bei DSL. Ganz nebenbei: Kabel Deutschland drosselt bereits heute; nach 10GB pro Tag wird es langsam, allerdings nicht so lahm wie bei der Telekom. Und am nächsten Tag ist alles wieder gut.

Man muss das Problem aber leider auch von einer ganz anderen Seite sehen – die Telekom hat nämlich ganz und gar nicht vor, die eigenen Dienste wie IP-Telefonie und T-Entertain (Videostreaming) zu beschneiden – diese sollen gefälligst auch nach der Drosselung in voller Geschwindigkeit zur Verfügung stehen, schließlich hat der Kunde dafür extra bezahlt.

Genau dort beginnt das Problem. Um diese Zweiteilung zwischen guten und schlechten Internetdiensten gewährleisten zu können, muss die Telekom in die übertragenen Datenpakete hineinschauen. Das nennt man „Deep Packet Inspection“, und es ist genau die technische Maßnahme, mit der eine perfekte Überwachung jedes Internetnutzers erst ermöglicht wird.

China, Iran und alle anderen Internetblocker haben natürlich solche Systeme und verhindern damit effizient, dass unerwünschte Informationen die Nutzer erreichen. Hans-Peter Uhl forderte den Einsatz solcher Technologie schon 2008: „Was die Chinesen können, sollten wir auch können. Da bin ich gern obrigkeitsstaatlich.“ Es scheint, als habe die Führung der Telekom ihn nun endlich erhört.

Man kann nicht genug vor DPI warnen. Einmal installiert, werden diese Systeme schnell in den Fokus der stattlichen Datenspürhunde geraten. Politiker werden mit dem üblichen „Es kann nicht sein, dass wir nicht…“ einen Zugriff auf die Daten fordern – natürlich nur bei schweren Verbrechen wie Terrorismus, Steuerbetrug, Musikdownloads und Falschparken, analog zur Bestandsdatenauskunft.

Es ist zudem nicht zu erwarten, dass andere Provider sich die Gelegenheit entgehen lassen werden, dieselbe Technik zu nutzen, um ebenfalls zu drosseln. Vodafone hat bereits einen ähnlichen Schritt angekündigt, Schlund&Partner (1&1) werden sicher folgen. Kabel Deutschland fehlt noch die DPI-Infrastruktur zum Glücklichsein, aber auch das lässt sich nachrüsten.

Falls Sie sich nun in der Hoffnung sonnen, dass die DPI-Technik der Telekom letztlich bloß ein automatischer Scan ist und niemand Ihre Mails liest, dann wenden Sie bitte den Blick noch einmal nach China und zu Herrn Uhl. Seien Sie sicher: vorhandene Daten werden auch genutzt werden. Überlegen Sie sich gut, was Sie auf Telekom-Accounts in Ihren e-mails schreiben, denn der Computer liest demnächst mit. Und Herr Uhl und seine Freunde beim BKA und den Geheimdiensten ebenfalls.

Zum Schluss noch einmal O-Ton von Herrn Uhl auf twitter: „Niemand hat die Absicht einen Überwachungsstaat zu errichten.“ Danke, Herr Uhl, für diese Klarstellung! Denn im Gegensatz zu Ullbrichts Mauer ist der Überwachungsstaat längst gebaut – man muss ihn nur noch einschalten.

Es grüßt herzlich,

Ihr JL7

 

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