Die ultimative Wahlempfehlung

Werte Leserinnen und Leser,

nachdem sich nun die Nebel gelichtet haben und die Wahl zum Deutschen Bundestag nur noch 48 Stunden von uns entfernt ist, finden Sie nun im folgenden meine ultimative Wahlempfehlung. Leider ist die Sache nicht einfacher, sondern komplexer geworden.

Beginnen wir mit der Erststimme. Das deutsche Wahlrecht verteilt diesmal die Sitzplätze im Bundestag erstmals exakt nach dem Zweitstimmenverhältnis – dem Stimmensplitting-Unsinn wurde ein Ende bereitet. Daher geben Sie die Erststimme nur einem aussichtsreichen Kandidaten. In den allermeisten Wahlkreisen sind das nur die Bewerber der SPD oder der CDU. Hier in Kreuzberg ist es nur Hans-Christian Ströbele von den Grünen. Wenn Sie einen der anderen Kandidaten wählen, beeinflusst Ihre Stimme mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht das Ergebnis – so wie eine Enthaltung.

Nun zur Zweitstimme. Wer „Angie“ oder „Mutti“ Merkel, wie sie von Befürwortern oder Gegnern ehrfürchtig genannt wird, immer noch und für vier weitere Jahre wirklich will, muss CDU wählen – und nicht die FDP. Einfache Verhältnisse also für die Konservativen.

Die Ultrakonservativen haben nach vielen braunen Jahren endlich zwei Alternativen: die AfD (Alternative für Deutschland) mit erheblichen Aussichten auf Stehplätze auf der Besuchertribüne des Bundestags und die FDP, die neuerdings im Parteienspektrum die CDU rechts überholt hat. Klare Aussage: Wer AfD wählt, schwächt Merkel. Also eine gute Wahl für alle Konservativen, die lieber eine linke Regierung hätten.

Für die FDP sprach lange Zeit das liberale Feigenblatt Leutheusser-Schnarrenberger – leider schweigt sie aber seit geraumer Zeit. Zur NSA-Affäre war aus dem Justizministerium außer schwammigen Prophezeiungen nichts zu hören. Parteichef Rösler und der testosteronschwangere Brüderle sind zudem der Meinung, aus dem Höllenfeuer käme der Mindestlohn und nicht die Atomkraft. Für beide spricht, dass sie aller Wahrscheinlichkeit nach nicht an dessen Existenz glauben – wohl aber besingen sie die Macht des Kreuzes mit der zweiten Stimme. Diesem Ruf werden – allen Warnungen zum Trotz – wieder genug CDU-Wähler folgen.

Wenn es aber dank Zweitstimmensplittings doch nicht für Schwarz-Gelb reicht, dann bekommen wir eine Große Koalition. Das von CDU und FDP immer wieder heraufbeschworene Gespenst „Rot-Rot-Grün“ wird 2013 nicht kommen.

Es spricht aber viel dafür, dass es 2015 kommt. Da ist gar keine Wahl, meinen Sie? Richtig – Regierungen kann man auch außerhalb von Wahlen neu bilden. Schauen Sie mal im historischen Kalender unter 1966 (Große Koalition unter dem Altnazi Kiesinger) und 1982 (Kohls „geistig-moralische Wende“).

Warum ist 2015 eine Option? Nun, die Verhältnisse im Bundestag stellen der SPD bis auf weiteres eine Mehrheit zur Verfügung, mit der sie in einer Großen Koalition die CDU vor sich her treiben kann. Wenn dazu noch eine – mögliche – strukturelle Mehrheit der linken Parteien im Bundestag kommt, dann werden die kommenden Jahre für Merkel ihre anstrengendsten. Sie wird viele Forderungen der SPD einfach durchwinken und trotzdem die Verantwortung übernehmen müssen. Das wird sie keine vier Jahre durchhalten.

Dann also 2015 Rot-Rot-Grün – ohne Lafontaine und Steinbrück, aber mit Gabriel, Nahles, Trittin und Wagenknecht. Klingt auch nicht gerade spannend, aber vielleicht übernimmt auch Frau Kraft das Bundessteuer in unserem Mütterland.

Und wenn wir nun zur Wahlempfehlung zurückkommen, ist es letztlich egal, wen Sie wählen, wenn Sie links wählen wollen – bloß die Piraten sollten Sie meiden, weil denen das gleiche Schicksal droht wie der AfD – nämlich die Besuchertribüne. So absurd es nun klingen mag: Piratenstimme ist Merkelstimme.

Die SPD – nun ja, aus netzpolitischer Sicht ist das nicht gerade die beste Wahl. Andererseits sollte die zukünftige Kanzlerpartei in einem Dreierbündnis möglichst stark  sein – und in der Großen Koalition in den nächsten zwei Jahren ebenfalls.

Die Grünen haben ihre Stammwähler und Claudia Roth.

Und die Linke? Früher in der SPD haben die Linken genervt, und das tun sie heute in ihrer eigenen Partei auch. Die östlichen Alten in der Partei kennen sich mit Überwachungsthemen aus, wenn auch vielleicht nicht in der Weise, die für die Aufarbeitung der NSA-Affäre nötig wäre. Aber das können sie auch gern den anderen beiden Parteien überlassen. Zudem wird 2015 die Affäre vielleicht wirklich beendet sein und Pofalla der Chefprophet der CDU, weil er das schon zwei Jahre zuvor verkündete.

Und nun – auf zur Wahl. Am Sonntag um 8 Uhr geht es los.

Es grüßt herzlich,

Ihr JeanLuc7

 

 

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