Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?

Werte Leserinnen und Leser,

alle Jahre wieder findet im November in Wiesbaden die „BKA-Herbsttagung“ statt, und jedes Mal bin ich geneigt, auf die Frage nach dem Angsthasen im Titel mit dem Finger auf die Bühne dieser Tagung zu zeigen und zu rufen: „Der Ziercke! Der Ziercke!“.

Jörg Ziercke (SPD) führt seit vielen Jahren das Bundeskriminalamt und hatte sich seine Pension bereits im vergangenen Jahr redlich verdient. Mangels eines geeigneten Nachfolgers muss er jedoch bis 2014 bleiben und hatte so auch in diesem Jahr wieder die Chance, uns vor allerlei Gefahren aus dem Internet zu warnen:

Die Cyberkriminalität ist nach Einschätzung des Bundeskriminalamtes (BKA) eine „Bedrohung mit unvergleichbarer Dimension“. Nach Auskunft des BKA-Präsidenten Jörg Ziercke sind die Kosten, die durch Cybercrime entstehen „größer als jene, die der Handel von Kokain, Heroin und Marihuana gemeinsam erzeugen“. Im virtuellen Raum fänden Erpressung und Diebstahl statt, Drogenhandel, Geldwäsche und Kinderpornographie. Hinzu kommt die Nutzung des Internets durch Terroristen oder zum Zweck der Spionage. Ziercke sprach von einer „entgrenzten Kriminalität“, die „ungebremst entwicklungsoffen“ sei und die Strafverfolgungsbehörden an funktionale und territoriale Grenzen bringe. (faz.net)

Der Mann kann einem ganz schön Angst machen.

Abder bitte sehen Sie genau hin, denn Ziercke zeigt wieder einmal ein brillantes Verständnis von Zuschauerverwirrung: Er rechnet uns Kosten vor, von denen wir – und auch Ziercke selbst – nur wenig Ahnung haben dürften, nämlich jenen des Handels von Kokain, Heroin und Marihuana. Clever, nicht wahr? Er spricht nicht etwa von den Kosten, die der Drogenkrieg den Staat kostet, sondern von Kosten, die den Drogenbossen durch den (illegalen) Handel entstehen, also der Transport in präparierten Containern und die Lohnkosten für den Dealer um die Ecke.

Ziercke spricht dann weiterhin nicht von Schäden, sondern von Kosten des Cybercrime. Welche er damit meint, bleibt offen – vielleicht das NSA-Budget von jährlich 10,7 Milliarden Dollar?  Aber er liefert eine stattliche Liste von Schwerverbrechen: Erpressung und Diebstahl, Drogenhandel, Geldwäsche und Kinderpornographie. Terroristen.

Ziercke fügt seiner Schreckensliste noch Spionage hinzu. Damit meint er jedoch die Wirtschaft und die bösen Chinesen und Russen, nicht aber NSA und GCQH und deren Interesse an unseren Vorratsdaten. Denn die Wiedereinführung der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung auch für deutsche Sicherheitsbehörden fordert er seit Jahren bei jeder sich ergebenden Gelegenheit, so auch bei der Herbsttagung. Zur Einleitung seiner Forderung präsentierte er ein paar schöne Zahlen :

Nach Angaben von BKA-Chef Ziercke gibt es aktuell 164 Fälle der Schwerkriminalität, in denen das BKA und die LKA Ermittlungsdefizite hinnehmen mussten, „weil die Überwachung oder Auswertung von Telekommunikation rechtlich oder technisch aufgrund von Verschlüsselung bzw. Kryptierung nicht möglich war. In 71,5 % dieser Fälle konnte sogar die Art des Kryptierungsdienstes technisch genau belegt werden.“ So habe die Polizei schwere Straftaten nicht verhindern oder nicht verfolgen können. (heise online)

Noch eine Nebelgranate von Ziercke, denn hier geht es um verschlüsselte Inhalte, die das BKA offenbar nicht oder nicht schnell genug entschlüsseln konnte. Diese Inhalte werden bei der Vorratsdatenspeicherung aber gar nicht gespeichert. Chapeau, Herr Ziercke! Zwar passt in Ihrer Präsentation nichts zusammen, aber alles wirkt wie aus einem Guss.

Zum Schluss noch dies:

Die Strafverfolger seien angesichts dieser Bedrohungen nicht „Totalüberwacher, Datensammelwütige und Datenprofilneurotiker“, sondern darum bemüht, Gerechtigkeitslücken zu schließen, „die den rechtstreuen Bürger fassungslos“ zurückließen. (faz.net)

Wenn die Strafverfolger und Geheimdienstler nicht Verschlüsselungen brächen und Hintertüren in unsere Software einbauten, hätten Kriminelle es deutlich schwerer. Aber schön, dass Ziercke einmal klarstellt, in welche Ecke er gerne gestellt werden möchte. Totalüberwacher, Datensammelwütige und Datenprofilneurotiker…

Ziercke hat keine Angst vorm schwarzen Mann – aber er will sie uns einreden. Er selbst hat das Ziel, alles über uns zu wissen, und er verfolgt es unbeirrt. Vor Menschen wie Ziercke müssen wir uns in Acht nehmen. Sie sind eine größere Bedrohung für unsere Freiheit, als es „entgrenzte Kriminalität“ je sein könnte.

Es grüßt herzlich,

Ihr JeanLuc7

 

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