Uber und der Neoliberalismus

Werte Leserinnen und Leser,

der Kampf um den Taxidienst Uber ist inzwischen vollständig entbrannt. In Hamburg hat ein Gericht das Verbot von Uber wegen eines Formfehlers aufgehoben, in Berlin macht Uber trotz Verbot erst einmal weiter. Kritik kommt aber nicht nur wegen fehlender Fahrgastversicherungen und „vergessener“ Versteuerung der Gewinne der neuen Kleinfuhrparkunternehmer, sondern auch wegen des Preismodells von Uber, das in Spitzenzeiten einen bis zu achtmal (8x!) höheren Preis erlaubt.

In der Technology Review verteidigt der amerikanische Journalist dieses Preismodell als ökonomisch richtig und zukunftsorientiert, zumal es nur aus anderen Bereichen bestehende Geschäftsmodelle kopiere: Last-Minute-Plätze im Flugzeug seien teurer, ebenso die Winterkleidung im Frühherbst im Vergleich zum April.

Mr. Surowiecki hat Recht – wenn man die Welt allein durch seine neoliberale Brille sieht. Sollen doch die mehr zahlen, die zu Hochlastzeiten ein Taxi benutzen. Jeder kann seine Fahrten optimieren, wenn er nur will.

Wirklich? Taxis gehören nach unserem Verständnis zum öffentlichen Verkehr. Man bekommt eine vorher bekannte Leistung und kann sich auf die Erfüllung des Vertrags verlassen. Es sind zudem nicht wenige auf Taxidienste angewiesen. Insbesondere ältere, gebrechliche Menschen nutzen Taxis (deren Fahrer sie nach vielen Fahrten oft schon persönlich kennen) für Fahrten zu Ärzten oder Hilfseinrichtungen oder einfach nur Orte, die sie zu Fuß nicht mehr erreichen können Und die sollen nun also ihr Verhalten optimieren und lieber Termine in der Nacht machen? Es gibt weitere Beispiele derselben Art, z.B. bei Zugverspätungen, ÖV-Streiks oder wetterbedingten Ausnahmesituationen. An Fahrten auf dem Land mag ich gar nicht denken.

Mr. Surowieckis Vorstellung vom wirtschaftlich entfesselten Taxiverkehr mag für Spaßfahrer, Abend-Ausgeher und Club-Heimkehrer funktionieren – es zerstört aber die Integration der Taxidienste in eine funktionierende, verlässliche Fahrdienstversorgung. Uber kann nach meinem Verständnis daher vielleicht eine Ergänzung sein – ein Modell für die Zukunft der Taxidienste ist es mit seiner fehlenden Vertragssicherheit aber nicht. Denn ein solches Modell schreit geradezu nach Alternativen – und die können, wie oben beschrieben, nicht immer nur durch Bus und Bahn geboten werden.

Letztlich wird durch Dienste wie Uber das Taxifahren nicht billiger, sondern teurer. Sollten tatsächlich irgendwann alle Dienste ein dynamisches Preismodell haben, wird öffentlicher Nahverkehr für viele unbezahlbar. Aber bereits vorher leiden die Schwächsten unserer Bevölkerung.

Wer Uber als leuchtendes Modell für die Zukunft präsentiert, mag seine eigene gute wirtschaftliche Situation vor Augen haben. Einen Blick für die Allgemeinheit und das soziale Miteinander hat er nicht.

Es grüßt herzlich

Ihr JeanLuc7

 

 

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