Kinderschutz

Ich kann es langsam nicht mehr hören. Auf allen politischen Kanälen wird seit dem vergangenen Jahr darüber diskutiert, wie man Kinder besser vor Missbrauch schützen kann. Das ist lobenswert. Aber wie so oft endet es auch hier bloß in Aktionismus. Da wird von „Milliardenmärkten“ für Bilder und Filme gesprochen, die sexuellen Missbrauch von Kindern zeigen. Dann wird uns das Sperren von Webseiten als allein-seligmachende Technik verkauft. Und schließlich – nach einem langen und schweren Kampf – kommt das Thema vonseiten der EU als umzusetzende Richtlinie auf uns zu, deren Forderungen nachgerade ins Absurde reichen.

Sexueller Missbrauch von Kindern (ich vermeide das verniedlichende Wort „Kinderpornographie“) findet nicht im Internet statt, sondern im realen Leben und fast ausschließlich daheim, zumeist verbrochen von Verwandten oder Bekannten oder Vertrauenspersonen. Die Kinder schweigen aus Angst. Aber kümmern sich Bundesregierung oder EU-Kommission um diese Täter? Helfen sie den Kindern beim Gang an die Öffentlichkeit? Die Offenlegung vieler Missbrauchsfälle innerhalb der Kirchen (oder auf Schulen und Internaten) und die Diskussion um die Verjährungsfristen haben gezeigt, dass noch viel zu tun ist, um Missbrauch von Kindern effektiv zu verhindern.

Stattdessen diskutieren wir wieder über Websperren. Hier nochmals für alle die Argumente, warum Websperren ein untaugliches Mittel sind:

  • Websperren sind umgehbar. Anleitungen dazu sind im Netz verfügbar und können innerhalb von 30 Sekunden ausgeführt werden. Nicht umgehbare Sperren sind möglich, aber nur um den Preis des Verlusts der Privatsphäre – das steht im Gegensatz zur europäischen Menschenrechtscharta und dem Grundgesetz.
  • Websperren sind Wegweiser. Stoppschilder schrecken die Täter nicht ab, sondern ziehen sie an.
  • Listen von Websperren kursieren bereits im Internet. Warum sollte eine EU-weite Sperrliste nicht auch an die Öffentlichkeit geraten? Dann haben wir einen perfekten Katalog für die Internet-Täter.
  • Websperren verführen zur Untätigkeit. Wenn eine Seite innerhalb weniger Minuten gesperrt werden kann, wird sich das zuständige Amt kaum noch die Mühe machen, sie auch löschen zu lassen. Die Beispiele aus Ländern, in denen eine Sperr-Infrastruktur existiert, zeigen genau dies.
  • Websperren können missbraucht werden. Alle bekannten Sperrlisten enthalten auch fehlerhafte  Einträge (oder absichtlich gewollte wie in Finnland). Eine einmal eingerichtete Websperren-Infrastruktur kann genutzt werden, um auch andere Inhalte zu sperren. Forderungen nach weiteren Sperren sind bereits vorhanden, beispielsweise zur Sperrung von Streamingangeboten (Musik- und Filmbranche), rechtsextreme Seiten (Land NRW), Islamistenseiten (CDU/CSU) oder Glückspielseiten (Land Hessen).

Es kann daher nur eine einzige Vorgehensweise geben: Löschen! Löschanträge bei Phishing-Seiten werden in der Regel äußerst schnell ausgeführt. Es ist nicht einzusehen, warum das bei Seiten, die Missbrauch von Kindern zum Inhalt haben, nicht auch möglich sein soll.

Aber liebe Politiker: kümmert Euch zuerst um die Verwandten, Bekannten und Vertrauenspersonen. Dort liegt das wahre Potenzial des Missbrauchs von Kindern. Wenn alle Bilder aus dem Internet gebannt sind, besteht dieses Potenzial immer noch.

Es grüßt

JeanLuc7

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