Mehr Atheismus, Frau Merkel!

Heute durften wir lesen, dass unsere Bundeskanzlerin Frau Merkel sich um die zunehmende Säkularisierung sorgt und erklärt, in der Union sei man dem „christlichen Menschenbild“ verbunden.

Abgesehen davon, dass ich nach wie vor die Attribute „Physikerin“ und „Gläubige“ bei Frau Merkel nicht gemeinsam verorten kann, ist bis heute nicht klar, was dieses in den letzten Tagen häufiger beschworene „christlichen Menschenbild“ nun sein soll. Die zehn Gebote plus Nächstenliebe? Das scheint mir doch zu wenig. Und leider ist die Bibel in einer anderen Zeit mit einem anderen Menschenbild entstanden, sie gibt also recht wenig her, wann man dort nach den Fragen unserer Zeit sucht.

Nach meinem Verständnis haben wir ein humanistisches Menschenbild, das jahrhundertelang von den Kirchen und den Regierenden bekämpft wurde. Alle Versuche einer Modernisierung in Deutschland (1832, 1848 usw.) sind nicht auf das Engagement der Kirche oder der Christen zurückzuführen. Der „Syllabus errorum“ von Papst Pius IX. (1864) würde heute als verfassungsfeindliche Schrift eingestuft werden. Die Rolle eines anderen Pius (XII.) braucht dazu nicht einmal betrachtet werden.

Liberalismus und freiheitliches Denken haben bei uns Einzug gehalten nicht wegen, sondern trotz der Kirchen. Unser demokratischer Rechtsstaat achtet auch Minderheiten, obwohl alle Religionen nach wie vor ihre liebe Mühe beispielsweise mit Schwulen haben.

Die Bibel hat für diese Gruppierungen eine ganz andere Vorgehensweise in petto: „Wenn jemand bei einem Mann liegt wie bei einer Frau, so haben sie getan, was ein Greuel ist und sollen beide des Todes sterben. Blutschuld lastet auf ihnen„. (4. Mose 20,13).

Und Atheisten oder Andersgläubige sollten besser nicht mit Christen über die Vorzüge ihrer Meinung sprechen, denn: „Wenn dich dein Bruder, deiner Mutter Sohn, oder dein Sohn oder deine Tochter oder das Weib in deinen Armen oder dein Freund, der dir ist wie dein Herz, heimlich überreden würde und sagen: Laß uns gehen und andern Göttern dienen! […] so willige nicht darein und gehorche ihm nicht. Auch soll dein Auge seiner nicht schonen, und sollst dich seiner nicht erbarmen noch ihn verbergen, sondern sollst ihn erwürgen.“ (5. Mose 13,7).

Das kann Frau Merkel nicht gemeint haben mit ihrem christlichen Menschenbild. Ich verstehe, dass das große „C“ im Namen sie verpflichtet – aber waren wir in dieser Diskussion nach der Rede von Bundespräsident Wulff nicht schon einmal weiter, als er sagte: auch der Islam gehört zu Deutschland. Und ich möchte ergänzen, dass auch die Atheisten dazugehören, jene Gruppe von Menschen, die der Meinung sind, dass die Götter mit der Kreativität der Menschen auf die Erde gekommen sind – und auch mit ihnen verschwinden werden. Vor ihnen braucht sich Frau Merkel allerdings nicht fürchten. Deren Moral ist zumeist weit staatskompatibler als die der Kirchen.

Frau Merkel, erinnern Sie sich bitte bei Gelegenheit an den von Ihnen bereits zweimal abgelegten Amtseid:

Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.

Zu Ihrer Erinnerung: zum deutschen Volk gehören alle, nicht nur religiöse Christen oder CDU-kompatible Menschenbilder, sondern auch Muslime und Atheisten mit ihren eigenen Vorstellungen vom Leben.

Es grüßt

JeanLuc7

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