Sittenwidrig, Herr Wiefelspütz!

Um es gleich vorauszuschicken: Als Kriegsdienstverweigerer habe ich noch nie in meinem Leben eine Waffe in der Hand gehabt, und ich habe auch nicht vor, daran etwas zu ändern. Und dass der möglicherweise fahrlässige Umgang mit Waffen zu der Tragödie von Winnenden geführt hat, ist für mich Grund genug für die Aktion der Bundesregierung, die Waffengesetze zu prüfen und gegebenenfalls nachzuarbeiten.

Allerdings scheint es nun, als gewönne der Populismus auch diese Aktion für sich. Nun sollen Paintball-Spiele verboten werden bei Strafandrohung. Paintball, auch Gotcha genannt vom englischen „Got you“ – „Hab dich“, ist ein durchaus fragwürdiges Spiel, bei dem mit Farbe auf Menschen geschossen wird. Das ist nicht gefährlich, aber es simuliert einen erfolgreichen Angriff mit einer Waffe. Hier wird – da gebe ich Ihrem CDU-Abgeordnetenkollegen Bosbach recht – Töten simuliert. Und Ihre Expertenkommission, besteht aus einem Oberbürgermeister, einem Richter, einem Regierungspräsidenten im Ruhestand und dem Präsidenten der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg, zeigte durch die Idee, einzig Paintball und Laserdrome zu verbieten, mit Expertenverstand, dass sie weiß, wovon sie redet.

Nun konnte ich der Berliner Zeitung außerdem noch Ihre folgende Aussage entnehmen: „Paintball ist sittenwidrig. Das wird es in Zukunft nicht mehr geben“ . Wie ich schon erwähnte, möchte ich hier nicht das Spiel Paintball verteidigen, wohl aber dem Wort „sittenwidrig“ ein paar weitere Worte hinzufügen. Zunächst hat „der Begriff der Sittenwidrigkeit nicht in erster Linie einen moralischen Inhalt und damit auch nicht die gesellschaftliche Dimension von Sittlichkeit.“ Ein strafbewehrtes Verbot lässt sich also nicht ohne weiteres aus einer Sittenwidrigkeit herleiten.

Aber verlassen wir die theoretische Diskussion, denn ich möchte Ihnen gerne ein paar weitere Beispiele geben für in dem von Ihnen genutzten Sinne sittenwidriger Aktionen:

  • Jäger simulieren den Tod nicht nur, sie schießen auf lebende Objekte. Sittenwidrig? Nein, die getöteten sind ja Tiere.
  • Wissen Sie, worauf die vielen legalen Waffenbesitzer testweise schießen, wenn sie ihre Waffen mit echter Munition bestücken? Nun gut, nehmen wir an, sie schießen nur auf Pappscheiben.
  • Im Deutschen Fernsehen, auch in ARD und ZDF, werden regelmäßig Menschen gezeigt, die auf andere mit simulierten Waffen schießen, zum Teil sogar in sehr gewalttätigen Darstellungen. „Tatort“ heißt das dann, oder „Polizeiruf 110“ oder „Der Alte“. Das ist doch dann aber sicher auch sittenwidrig und darf es nicht mehr geben. Andererseits – die schießen nicht mit Farbe…

Ich gebe zu, dass das sehr zugespitzt ist. Aber eine Regierung, die angesichts einer erfolgreichen Lobbyarbeit des Deutschen Schützenbund, des Bundes der Sportschützen,  die Verbände der Jäger und die Interessenvertretung der legalen Waffenbesitzer in Deutschland nicht wagt, echte Schusswaffen in Privathand zu tabuisieren sollte das Wort „sittenwidrig“ lieber nicht in dem von Ihnen erwähnten Zusammenhang gebrauchen. Man bedenke: Die allermeisten Waffen im Privatbesitz sind echte Waffen. Und echte Waffen verschießen echte Geschosse. Und Menschen benutzen sie, um zu töten.

Wenn Sie Morde und Tragödien verhindern wollen, dann verbieten Sie besser den kompletten privaten Waffenbesitz, nicht bloß Farbkleckser.

Herzlichst

Ihr JeanLuc7

Zur Info: In Deutschland gibt es etwa 20.000 aktive Paintballer. Die Deutsche Paintball Liga (DPL) besteht aus der 1.Bundesliga, 2. Bundesliga und 3. Bundesliga sowie 4 Regionalligen, 4 Landesligen und 4 Bezirksligen. (Quelle: wikipedia.de, sueddeutsche.de)

Und noch ein Lesetipp zum Thema: Heribert Prantls Kommentar in der Süddeutschen Zeitung

Dieter Wiefelspütz ist ein deutscher Politiker (SPD). Er ist seit 1998 innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. (Quelle: wikipedia.de)

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