Warum ELENA nicht als Aufreger taugt…

… und warum der Entwurf des neuen Jugendmedienstaatsvertrags eine bessere Zielscheibe ist.

Vielerorts wird in der Nachbearbeitung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung derzeit über ELENA, den „ELektronischen EntgeltNAchweis“ geschrieben. Die Kritiker warnen, ELENA sei eine verdachtslose Vorratsdatenspeicherung genau wie die Umsetzung der EU-Richtlinie über Verkehrsdaten und daher genauso zu behandeln. Zudem würden Daten erfasst, die mit dem eigentlichen Vorhaben, der Digitalisierung und Vereinheitlichung von Arbeitnehmerunterlagen nicht zu tun habe, beispielsweise die Erfassung von Streiktagen.

Die Kritiker haben recht. Trotzdem lohnt die Aufregung über ELENA nicht, weil einerseits die Zielrichtung von ELENA nicht – wie bei der Vorratsdatenspeicherung – eine gewollte Rasterfahndung ist und zum anderen die Politik die Notwendigkeit einer Anpassung längst erkannt hat. Auch ohne die angestrebte Massenklage vor dem Bundesverfassungsgericht wird ELENA deutliche Korrekturen erfahren im Sinne des kürzlich ergangenen Urteils. ELENA bereitet mir daher keine Sorgen.

Anders sieht es beim neuen Jugendmedienstaatsvertrag aus, der derzeit unter Führung des Landes Rheinland-Pfalz, regiert von Kurt Beck, in einem wenig demokratischen Verfahren zwischen den Ländern ausgehandelt wird. Dieser Vertrag möchte den Jugendschutz an die aktuellen technischen Gegebenheiten anpassen oder kurz gefasst: es geht erneut um Stoppschilder und Internetblockaden.

Die Jugend soll zukünftig vor gefährlichen Einflüssen aus  dem Internet geschützt werden. Und da dies allein mit deutschen Zugangsbeschränkungen für deutsche Anbieter nicht funktioniert, müssen nun härtere Maßnahmen her, so die Diskussionslage. Die Damen und Herren sehen außerdem die Eltern außer Stande, ihren Kindern den Zugang zu Computern im rechten Maße einzuschränken. Daher muss einmal mehr der Staat es richten, und er tut es mit Politikern, die das globale Internet mit seinen Möglichkeiten immer noch einzig als Bedrohung empfinden.

Mein liebster Vorschlag aus dem in der Kommission vorgeschlagenen Mitteln zur Erreichung eines jugendfreien Internets ist die Sendezeitbeschränkung. Dahinter steckt die überzeugende Logik, dass das Internet  auf Bildschirmen dargestellt wird, ebenso wie das Fernsehen. Und dort gelten klare Bestimmungen, was wann zu sehen sein darf. Wir erinnern uns: „Die folgende Sendung ist für Zuschauer unter 18 Jahre nicht geeignet“. Manche von uns kennen auch die Einblendung „Premiere Jugendschutz“, die zu gewissen Zeiten die Eingabe einer PIN erfordert.

Im Internet kann man das hier bereits bewundern: „Vollständiger Inhalt zwischen 22:00 und 06:00 Uhr sichtbar“. Ausgeblendet wird dabei bloß ein Video, aber die Kommission diskutiert durchaus, auch Texte entsprechend zu behandeln. Man stelle sich einen Text auf Spiegel Online vor, der erst ab 22 Uhr eingesehen werden darf. Vielleicht schwärzt man – wie im Fernsehen mit Pieptönen – einfach die kritischen Passagen: „Und dann nahm ich mir die xxx und xxx sie in den xxx“. Die Platzhalter stehen selbstverständlich für „Blumen“, „warf“ und „Mülleimer“. Aber auf einer erotischen Seite würde man sicher ganz andere Worte einsetzen.

Perfide wird das ganze durch die gewünschte Selbsteinschätzung der Inhalte. Dazu gehört nicht nur das, was man selbst veröffentlicht, sondern auch das, was andere in Kommentaren und Foren auf den eigenen Seiten hinterlassen. Selbst der Kommission ist inzwischen aufgegangen, dass nicht alle Seiten automatisch als „ab 18“ eingestuft werden dürfen, nur weil sie keine Selbsteinstufung vorgenommen haben. Ich möchte auch gerne die Blicke der Webseitenbetreiber aus dem Ausland sehen, die vor solche Aufgaben gestellt werden.

Lasst bitte die Kirche im Dorf: Erziehung ist Elternsache. Bereits jetzt existieren taugliche Angebote, die den Eltern die Möglichkeiten geben, über White– oder Blacklists den Sprösslingen nur die Seiten zu öffnen, die sie für sinnvoll halten. Und wenn der Filius ein Alter erreicht hat, in dem er den Filter überwinden kann, dann nützen Sendezeiten auch nicht mehr viel. Aber bitte, liebe Mitglieder der Kommission zur Erarbeitung des neuen Jugendmedienstaatsvertrags: verschont uns Erwachsene mit Regularien, die wir als wesentliche Einschränkung unserer Freiheiten empfinden müssen. Es bleibt Aufgabe der Eltern, daheim Vorsorge zu betreiben. Es ist nicht die Aufgabe des Staates, dem Volk ein jugendfreies Internet zu bescheren.

Aber – warum eigentlich nicht? Ein Jugend-freies Internet würde uns vor den jugendlichen Störern in Foren befreien, Kinder könnten nicht in Chats missbraucht werden, Zugangskennungen über Pin-Codes und Post-Ident würden unnötig werden, Abo-Abzocker könnten keine kostenpflichtigen Hausaufgaben mehr verkaufen und amazon könnte endlich alle Über-18-Artikel frei auslisten. Daher mein Vorschlag für den entscheidenden Satz im Jugendmedienstaatsvertrag:

Das Internet darf nur von Personen bedient werden, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Internetbenutzer haben Sorge zu tragen, dass Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr keinen Zutritt zum Internet erhalten.

Und wie beim Führerschein gibt es in einer zweiten Stufe dann ab 16 das Internet zur Probe. Unrealistisch? Dann lesen Sie noch einmal den Absatz mit den Sendezeiten.

Herzlichst,

Ihr JeanLuc7

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.