Getroffen, Herr Reichert,

hat mich Ihre Entscheidung, den im Juni in Karlsruhe geplanten Spieleevent abzusagen. Ihr geäußerter Eindruck, von den Parteien in deren Kommunalwahlkampf instrumentalisiert zu werden, ist hingegen bedauerlicherweise wahrscheinlich richtig.

Seit dem Attentat von Winnenden diskutierten die Politiker über Maßnahmen, wie zukünftig solche Amokläufe verhindert werden können. Dabei stellte sich insbesondere heraus, dass besonders die nicht zum Töten geeigneten Waffen ein besonderes Gefahrenpotenzial darstellen, nämlich Computerspiele und Paintball. Diese Erkenntnis setzen die Politiker nun in Taten um.

Während aber Paintball offenbar auch von Politikern gespielt wird und deshalb – nach deutlichen Protesten – recht schnell von der Liste der Maßnahmen entfernt wurde, wird die Computerspielklasse der „First Person Shooter „nach wie vor als hohes Risiko angesehen. Wir erinnern uns: in solchen Spielen werden Waffen im unteren Bereich des Computermonitors eingeblendet, und durch geschicktes Drücken von Tasten oder Klicken mit der Maus werden ebenfalls auf dem Computermonitor dargestellte Gegner ausgeschaltet. Das ganze kann man allein oder – deutlich beliebter – in Gruppen spielen.

Solche Gruppenspiele sollten auch auf dem Karlsruher Spieleevent ermöglicht werden. Und wieder erinnern wir uns: Der ursprüngliche Austragungsort sollte Stuttgart sein, dort wurde den Veranstaltern „Instinktlosigkeit“ vorgeworfen und die Veranstaltung kurzfristig abgesagt. Karlsruhe sprang als Ersatzort ein. Ebenso erging es einer gleichen Veranstaltung in Nürnberg, hier wählte man Hamburg als Ersatz.

Herr Reichert, natürlich kann ich Ihre Sorge verstehen, hier eine offenbar ungeliebte Veranstaltung zu organisieren. Ich kann auch verstehen, dass Sie im Laufe der Wochen resigniert haben. Dennoch hätte ich gern gesehen, wie eine seltsame Koalition aus Grünen und CDU Ihren Vermieter aufgefordert hätte, einen rechtsgültigen Vertrag ohne gesetzliche Grundlage zu brechen. Ich hätte auch gern gesehen, dass ein deutsches Gericht bereits erstinstanzlich den verantwortlichen „Experten“ der Fraktionen den Kopf gewaschen hätte, nachdem es den Mietvertrag in seiner jetzigen Form bestätigt hätte.

Dazu wird es jetzt leider nicht kommen. Statt dessen hat heute Bayerns Innenminister Hermann (CSU) seiner eigene Jugendorganisation (Junge Union Bayern) mitgeteilt, „diese brutalen Killerspiele seien keine geeignete Freizeitbeschäftigung für junge Menschen“. Nun, seit Jahrzehnten sucht sich jede Jugend ihre Freizeitbeschäftigung selbst, sei es nun Elvis Presley, die Beatles, Kommunen, Punk, House-Partys oder eben Computerspiele. Das entscheidet glücklicherweise nicht die deutsche Politik. Auf Events wie den von Ihrer Firma geplanten sollte sie daher auch besser keinen Einfluss nehmen, wenn sie den Kontakt zu den jungen Leuten nicht endgültig verlieren will.

Wir sollten nicht vergessen: Menschen töten mit echten Waffen. Deshalb sollten wir uns um die echten Waffen kümmern; sie gehören nicht in Privathände. Um Politiker aber, die uns ihr Weltbild aufzwingen wollen, sollten wir einen Bogen machen.

Herzlichst, Ihr

JeanLuc7

Ralf Reichert ist Geschäftsführer der Turtle Entertainment GmbH. Die Turtle Entertainment GmbH betreibt die Electronic Sports League (ESL), die größte Liga für Computerspieler in Europa. Mit über 165 Millionen Page Impressions im Monat gehört das Liga-Portal www.esl.eu laut IVW zu den 20 größten Internetauftritten Deutschlands. (Quelle: wikipedia.de)

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