Glückwunsch, Mr. President!

Sehr geehrter Herr Obama,

die entscheidende Nachricht des Tages kannten Sie vermutlich vor mir – der alte Präsident der USA wird auch der neue sein. Ich gratuliere zu Ihrem Wahlsieg und wünsche Ihnen eine äußerst erfolgreiche zweite Präsidentschaft. Bekanntlich dient die erste Amtsperiode eines Präsidenten in den USA der Wiederwahl, während die zweite für den Platz in der Geschichte reserviert ist. Auch dabei viel Erfolg, denn das wird nicht leicht.

Fast wichtiger für mich war der Misserfolg der durchgeknallten Republikaner mit ihrem Heile-Welt-Politikangebot. Eine Weltvorstellung mit Gott und Bibel, aber ohne Klimawandel und Schwule, mit einem aufgestockten Militärhaushalt, aber ohne Krankenversicherung und Steuern war glücklicherweise auch einer knappen Mehrheit der US-Bürger suspekt. Man darf aber gespannt sein, ob gemäßigte Republikaner diese Niederlage als Chance begreifen, das Ruder wieder herumzureißen oder sich die Teetrinker noch weiter radikalisieren. Können Sie sich vorstellen, dass diese Leute noch einmal in einen Kampf gegen die Sklaverei ziehen würden, wie es einst der Republikaner Abraham Lincoln tat? Ich nicht.

Aber während die Republikaner diesen Kampf vorrangig unter sich ausmachen müssen, ist die Welt noch voll von anderen Durchgeknallten, mit denen Sie sich herumschlagen dürfen:

  • Die ewigen Streithähne im Iran und in Israel. Sicher wissen Sie durch Ihr Amt, dass diese beiden Länder zwar weniger als 0,1% der Erdoberfläche bedecken, aber für mehr als 10% der Weltnachrichten verantwortlich sind. Es führt zu nichts gutem, wenn Staaten ein zu religiöses Fundament haben.
  • Der ewige Putin in Russland ist nur in einem berechenbar: Er macht – in guter Tradition mit den früheren sowjetischen Machthabern – immer das Gegenteil von dem, was Sie machen. Ein Beispiel: Liefern Sie einfach Waffen an Assad nach Syrien und unterstützen Sie ihn im Sicherheitsrat – schon wird Putin ihn fallen lassen. Ob die Israelis das gut finden würden, steht auf einem anderen Blatt.
  • Die Weltklimakonferenzteilnehmer – dort wird der Klimawandel genauso wenig ernst genommen wie in Ihrem Land, den USA. Sieht man einmal von Sandy und Katrina ab, wurden die USA in den letzten Jahrzehnten vorrangig im Kino verwüstet. Es ist aber ziemlich sicher, dass sich das in den nächsten Jahrzehnten zugunsten der Realität ändern wird – und das sollten Sie Ihren Leuten schonungslos nahe bringen.
  • Die Wall-Street-Banker, eine Spezies, die in einer statischen Warpblase lebt und nach kurzer Trauer über Romneys Niederlage wieder zum Alltag übergehen wird: dem endlosen Herumschieben virtuellen Geldes. Gebieten Sie deren Treiben Einhalt, ehe diese Leute die Welt endgültig zu ihrem Spielball machen.
  • China steht nicht auf dieser Liste. Diese Leute wissen sehr gut, was sie tun und sind leider nicht durchgeknallt.

Auf meiner persönlichen Agenda für den neu gewählten Präsidenten stehen außerdem der Aufbau des Datenschutzes (nicht existent), das Eingrenzen der Rechte der Heimatschutzbehörde (darf alles) und das amerikanische Patentsystem und seine Anwälte (durchgeknallt, siehe oben). Nicht auf meiner Agenda steht das Wachstum der Wirtschaft (wohin denn bitte?) und das Senken der Arbeitslosigkeit (in den USA, nicht in China).

Ein ganz persönlicher, unkonventioneller Tipp: Zum Abbau der Staatsschulden haben wir in Europa neben Sparmaßnahmen für den Süden einen finanziellen Rettungsschirm. Wenn es ganz dick kommt, lässt Großbritannien Sie sicher wieder dem Königreich beitreten, dann dürfen Sie den Schirm in Anspruch nehmen. Die Tea Party wird allerdings dagegen sein, daran wird sich in 240 Jahren nichts geändert haben.

In diesem Sinne – viel Erfolg beim Sichern eines Platzes in der Geschichte. Bitte bedenken Sie dabei, dass eben diese Geschichte manche Erfolge erst viel, viel später würdigt. Und bitte bedenken Sie im Hinblick auf die Durchgeknallten und den Maya-Kalender auch, dass das Schreiben späterer Geschichte die Existenz einer adäquaten Welt voraussetzt.

Es grüßt herzlich,

Ihr JeanLuc7

 

 

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