Warum Große Koalitionen ein Sicherheitsrisiko darstellen

Werte Leserinnen und Leser,

im kommenden Jahr wird wieder gewählt, und leider ist eine recht wahrscheinliche Konstellation die einer erneuten merkelgeführten Großen Koalition zwischen CDU und SPD. Abgesehen davon, dass man längst nicht mehr so groß ist wie in den Sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, als man erstmals antrat, Deutschland sicherer zu machen, ist die Gefahr für die Grundrechte Einzelner deshalb nicht geringer geworden.

  • Zwischen 1966 und 1969 bastelte die damalige Große Koalition unter dem Ex-Nazi Kiesinger und dem Vizekanzler Brandt die sogenannten Notstandsgesetze. Draußen erhob sich der Widerstand; bei einer Demonstration wurde 1967 der Student Benno Ohnesorg (nach heutigen Erkenntnissen) durch einen Polizeibeamten ermordet. wikipedia schreibt dazu:

„Doch gerade die festgestellte Unruhe in der Jugend, über die am 9. Februar 1968 der Bundestag debattierte, führte auch dazu, dass das Parlament mit großer Mehrheit seine Absicht bekundete, die rechtsstaatliche Ordnung zu schützen und noch vor der Sommerpause die Notstandsverfassung zu verabschieden.“

So kam es. Die Notstandsgesetze wurden durch eine Verfassungsänderung ermöglicht, und erst Wahlen bereiteten 1969 dem Spuk ein Ende.

  • Zwischen 2006-2009 schaffte es die Große Koalition unter Kanzlerin Merkel, noch weit mehr Einschränkungen der persönlichen Freiheit zu beschließen:
    • Die von der rot-grünen Koalition im Schatten des 9-11-Terroranschlags auf das New Yorker World Trade Center erlassenen Sicherheitsgesetze wurden ohne konkrete Bedrohungslage und ohne Debatte verlängert.
    • Das BKA-Gesetz schaffte die Grundlagen für den sogenannten Bundestrojaner. Nationale Sicherheitsbehörden dürfen seitdem endlich legal in unsere Computer eindringen. In den letzten Jahren zeigte sich, dass die Trojaner weit mehr können als erlaubt – und sie werden auch nicht zum Zwecke der Terrorbekämpfung eingesetzt, sondern für die „normale“ Verbrechensbekämpfung. Eine Klage gegen das BKA-Gesetz ist beim BVerfG anhängig.
    • Die Vorratsdatenspeicherung, besser: die Erfassung sämtlicher Bewegungen und Aktionen elektronisch vernetzter Geräte wie Telefone und Computer ohne jeglichen Anlass war ein besonderes Highlight. Der Ball wurde von der deutschen Innenministerkonferenz über Bande nach Brüssel zum dortigen Sicherheitskommissar gespielt und kam von dort in Form einer Richtlinie für alle EU-Staaten zurück, die man nur noch in Gesetzesform gießen musste – verfassungswidrig jedoch bis heute.
    • Das Zugangserschwerungsgesetz – angeblich nur zur Eindämmung von Kinderpornographie gedacht, sehr schnell aber als Vehikel für Internetsperren aller Art erkannt, wurde im Sommer 2009 noch kurz vor der Wahl verabschiedet und kam aufgrund seiner besonderen Absurdität gar nicht erst zum Einsatz. Es wurde 2011 wieder abgeschafft.

Und nun sitzt da in Sachsen-Anhalt auch eine Große Koalition, die sich im Handstreich gern das umfangreichste Polizeigesetz geben möchte, das wir seit der Erfindung des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats gesehen haben. Schauen wir einmal, was die Polizei in Sachsen-Anhalt zukünftig alles so dürfen soll, ohne dass ein Richter oder eine andere unabhängige Instanz der Justiz befragt werden muss:

  • Verdächtige Personen sollen einem AIDS- und Hepatitis-Zwangstest unterzogen werden – insbesondere, wenn er aus einem Risikomilieu kommt, zu dem die Gesetzesdichter auch die Bekanntschaft mit HIV-positiven Personen zählen. Dies diene der Sicherheit der Beamten. Bisher galt dies jedoch als Körperverletzung des Bürgers.
  • Die Polizei soll zur „Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person“ das Handynetz lokal abschalten können. Abgesehen davon, dass dann keine Notrufe mehr abgesendet werden können, ist dies ein tiefer Eingriff in die Telekommunikationsfreiheit. Der Innenminister Holger Stahlknecht (der heißt wirklich so) beschwichtigte und erklärte, niemand habe die Absicht, eine Mauer zu bauen das Netz bei Demonstrationen abzuschalten. Es gehe nur um ferngezündete Bomben. Andere Bundesländer geben sich diese Freiheit ebenfalls, allerdings erst nach Freigabe durch einen richterlichen Beschluss und mit einer Beschränkung auf Leib, Leben von Personen in besonders schweren Fällen.
  • Natürlich gibt man sich auch wieder das weit gefasste Recht zur Erhebung von Telekommunikations- und Standortdaten. Dabei wird auch vor der (verbotenen) Aufzeichnung privater Daten nicht Halt gemacht, denn diese könnten ja in einer anderen Sprache geführt worden sein. Sie müssten dann nachträglich manuell gelöscht werden – was letztlich auf das Abhören oder Ansehen von eigentlich unzulässigen Aufzeichnungen hinausläuft.
  • Hinzu kommen Befugnisse zum Orten von suizidgefährdeten oder hilflosen Personen mithilfe eines IMSI-Catchers, zum Anfertigen von Videoaufzeichnungen zur Eigensicherung von Vollzugsbeamten „bei Anhalte- und Kontrollsituationen“ oder zum Anordnen von DNA-Analysen zur Identifizierung von hilflosen Personen und Toten und einiges mehr.

Große Koalitionen haben einen Hang zur Verschärfung von Sicherheitsgesetzen und zur Einschränkung persönlicher Freiheiten. Einerseits sind große Mehrheiten vorhanden, die mal eben sogar Verfassungen ändern können. Zum anderen sind im Spannungskreis um Wirtschafts- und Sozialpolitik zwischen Links und Rechts so viele Kompromisse erforderlich, dass die Freiheiten der Bürger dabei regelmäßig unter die Räder geraten und als Verhandlungsmasse verramscht werden. Nie sah die Republik bessere Zeiten für scharfe Innenminister als bei Großen Koalitionen.

Es ist heute noch zu früh für eine Wahlempfehlung für die Bundestagswahl, aber jene in Niedersachsen im Januar steht bereits vor der Tür. Wer keine Große Koalition will, muss daher Grün oder – ich sage es ungern, aber man muss eben auch an die andere Seite denken – Gelb wählen – nicht Knallrot, nicht Orange und natürlich nicht Braun. Ich mag mir gar nicht ausmalen, wozu 2013-2017 eine Merkel-Steinmeier-Wiederauflage fähig wäre…

Es grüßt herzlich

Ihr JeanLuc7

P.S.: Wer das ganze üble Gesetz der Sachsen-Anhaltiner lesen möchte, findet es hier.

 

 

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