Von Scheinriesen und Scheinzwergen

Werte Leserinnen und Leser,

Regierungswechsel sind in einer Demokratie etwas völlig Normales. Daher bedarf das Wahlergebnis in Niedersachsen keiner besonderen Kommentierung, auch wenn es gerne mit den Begriffen „Bundestagswahlkampf-Auftakt“ und „Mehrheit Im Bundesrat“ assoziiert wird.

Gerne kommentieren möchte ich aber die Be- und Entzauberung der verschiedenfarbigen politischen Strömungen, die uns einige Scheinriesen und Scheinzwerge beschert haben. Sie erinnern sich? Der Scheinriese Tur Tur wirkt in Michael Endes Buch „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ nur von Ferne riesig – wenn man sich ihm nähert, schrumpft er alsbald zu normaler Größe. Und wenn die Welt Scheinriesen hervorbringen kann, dann doch sicher auch Scheinzwerge; solche, die in der Ferne winzig wirken und erst beim näheren Hinsehen ihre wahre Größe erreichen.

  • Philipp Rösler ist so ein Scheinriese. Gedopt durch 9,9% niedersächsische Stimmen (davon etwa 80% von CDU-Wählern), verteidigte er am Montag nach der Wahl das gelbe Trikot seiner Partei. Bloß ist der Rösler am Tage nach der Wahl noch derselbe Vorsitzende wie davor. Und „Mehr Wachstum“ ist nach wie vor der einzige Slogan einer Partei, die beim näheren Hinsehen gefühlte 2% der Wähler vertritt.
  • Röslers Kollege Rainer Brüderle ist ebenfalls als Scheinriese enttarnt worden. Da bietet man ihm das Amt als Parteivorsitzender auf dem Silbertablett an, Brüderle kommt näher und – siehe da, schon ist aus dem Scheinparteivorsitzriesen ein kleiner, alter Mann geworden, der sich nicht mehr traut, die Gelegenheit zu nutzen.
  • Aber auch Angela Merkels CDU ist eine Scheinriesin. In den Umfragen bei mehr als vierzig Prozent ausgewiesen, kann sie das CDU-Potenzial seit 2005 nicht in echte Wählerstimmen umsetzen, weil ein guter Teil der Anhänger letztlich doch lieber FDP wählt. So wird es auch bei der Bundestagswahl kommen: letztlich landet sie wieder im Dreißig-Prozent-Turm.
  • Die FDP ist dagegen ein Scheinzwerg – Umfragen prophezeien ihr ständig das Aus in den Landtagen, und dann: NRW, Schleswig-Holstein, Niedersachsen – überall ist die Partei vertreten, als hätte es die Umfragen und die spätrömische Ära Westerwelle nie gegeben. Solange das Showpotenzial der Liberalen hoch bleibt, wird sich daran wohl auch nichts ändern.
  • Peer Steinbrück hat eine wunderbare Wandlung vom Scheinriesen zum Scheinzwerg durchlaufen. Vorab hochgelobt, begann er seine Zeit als Kanzlerkandidat täppisch; seine Äußerungen wurden im Mindestabstand zwischen zwei Fettnäpfchen gemessen, und seine Umfragewerte sind nach wie vor mies. Aber die zwergenhaften Zahlen werden nicht bis zum Herbst so schlecht bleiben. Nicht zuletzt hat Steinbrück die Unterstützung des Elder Statesman Helmut Schmidt – und auf den hören sie heute sogar in weiten Teilen der CDU.
  • Die Grünen tauchen in dieser Auflistung nicht auf. Sie sind, wie sie sind. In welche Kategorie die Piraten gehören, ist ebenfalls noch nicht entschieden.

Zuguterletzt noch ein paar Worte an Peer Steinbrück: ich finde es gut, dass Sie Ihre vielen tausend Vortragseuro in teuren Pinot Grigio investieren. Ich hüte mich zwar, Wein allein nach dem Preis zu beurteilen, aber Ihre Ausgaben helfen, die Wirtschaft in Gang zu halten. Nicht auszuhalten, wenn Sie Ihr Geld daheim im Sparstrumpf aufbewahren würden.

Es grüßt herzlich

JeanLuc7

 

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