Die Ausmistung des Augiasstalls

Erinnern Sie sich an die Episode 6 von Star Wars – die „Rückkehr der Jedi-Ritter„? Am Ende des Films waren der böse Todesstern und der noch bösere Imperator durch die Helden des Films und viele kleine goldbärige Helfer besiegt, und Lord Darth Vader kehrte zur guten Seite zurück. Überall im Universum wurde mit Feuerwerken das Ende des Galaktischen Imperiums gefeiert. Und als Zuschauer ist man zufrieden und fühlt sich gut.

Heute bin ich zufrieden und fühle mich gut, denn das Zugangserschwernisgesetz wird ausgesetzt, ehe es in Kraft getreten ist. Die Netzsperren werden nicht eingeführt, das BKA darf keine Sperrlisten erstellen oder gar verteilen, die Provider müssen keine Zensur-Infrastruktur aufbauen, und niemand wird Stopp-Schilder im Internet sehen. Statt dessen muss das BKA nun wieder seine eigentliche Arbeit tun; es muss Verbrechen bekämpfen. Im Falle der Kinderpornographie im Netz muss es nun Webseiten löschen lassen statt sie zu sperren – eben so, wie es jene forderten, die angesichts der erregten Diskussion noch Augenmaß bewahrt hatten.

Gut so – erstmals seit vielen Jahren schlägt das Pedel der Sicherheitsgesetze wieder zugunsten der Bürgerrechte aus. Auch wenn die FDP dies als ihren Erfolg vermarkten wird (und darf), wäre diese Entscheidung niemals ohne den Druck vieler aufrechter Menschen zustande gekommen, die in Online-Medien, aber auch im realen Leben für mehr Bürgerrechte gekämpft haben. Franziska Heine, Alvar Freude, Markus Beckedahl, Christian Bahls, die Piratenpartie und die von Christian Stöcker benannte „Generation C64“ – ihnen allen ein dickes Dankeschön für das Engagement, das die Politiker kalt erwischt, aber letztlich doch Erfolg gezeigt hat.

Nach dem Sieg folgen die Aufräumarbeiten, die uns im Film Krieg der Sterne leider vorenthalten werden. Stellen wir uns vor, wie Luke Skywalker und Prinzessin Leia in Episode Sieben in die Regierungszentrale einfliegen, um dort einen Apparat vorzufinden, der nach wie vor diktatorische Züge trägt und noch weitgehend intakt ist. Nach meiner persönlichen Schätzung könnte George Lucas mit den darauf folgenden Streitereien um Macht und Einfluss sicher weitere sechs bis neun Filme füllen, bis am Ende Demokratie und Rechtsstaat wiederhergestellt sind und die Macht wirklich „wieder im Gleichgewicht“ ist.

Um in Deutschland die Situation um die Bürgerrechte wieder ins Gleichgewicht zu bringen, ist der Fall der Internet-Sperren ein erster Erfolg. Nach wie vor stehen weitere Themen auf der Agenda, die noch zu verhandeln sind:

  • Verdachtslose Vorratsdatenspeicherung: Hier steht eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts an. Bisher haben die Koalitionäre nur beschlossen, das Gesetz an die bereits vom BVG verfügten Beschränkungen anzupassen. Emails, SMS und Telefonnummern werden weiterhin sechs Monate gespeichert.
  • BKA-Gesetz: Nach wie vor darf das BKA seinen Trojaner in unsere Rechner schmuggeln, wenn Gefahr besteht. Die Anwendung darf jetzt nicht mehr das Amtsgericht Wiesbaden, sondern die Bundesanwaltschaft anordnen. Ob das eine Verbesserung darstellt, sei dahingestellt. Auch hier steht eine Grundsatzentscheidung des BVG an.
  • Bundeswehr im Inneren und Geheimpolizei: Herrn Schäubles Lieblingsprojekt ist zwar kein echtes Internet-Thema, jedoch berührt es die Bürgerrechte enorm. Laut Grundgesetz bildet die Polizei die Exekutive, nicht aber die Bundeswehr oder der Verfassungsschutz.
  • Three Strikes: Nachdem im EU-Parlament der Widerstand gegen die Sperrung von Internet-Zugängen bei Urheberrechtsverletzungen sinkt, werden wir eine solche Debatte auch in Deutschland erleben.
  • Urheberrecht: Nach wie vor haben große Teile der Abgeordneten (insbesondere auch bei der FDP) nicht verstanden, dass das Urheberrecht in seiner analogen Form nicht unverändert in die digitale Welt übertragen werden kann. Bisher ist die Antwort der neuen Regierung der Versuch einer massiven Kriminalisierung von Tauschbörsen. Man bedenke aber, dass „Recht“ letztlich nur dann durchsetzbar ist, wenn die Mehrheit der Menschen es versteht und anwendet. Hier liegt das Problem: Eine ganze Generation von „Raubkopieren“ ist inzwischen erwachsen und begreift noch immer nicht, wieso man eine TV-Sendung zwar auf dem heimischen Recorder aufzeichnen und archivieren darf, es aber verboten ist, denselben Inhalt im Internet herunterzuladen.
  • Der von den Verlagen eingeforderte und von CDU und FDP wohlwollend behandelte „Leistungsschutz“ ist ein weiteres Beispiel für eine rückwärts gewandte Politik. In letzter Konsequenz bedeutet er das Ende der Meinungsfreiheit und die Einführung einer Meinungshoheit. Frau Merkel hat – als intime Kennerin der Problematik – hierzu bereits Stellung bezogen und fälschlicherweise google des unerlaubten Raubkopierens beschuldigt. Das sind gute Aussichten für ein weiteres Streitthema.
  • Das deutsche Abmahnrecht stellt im Internet eine gute Einnahmequelle für Anwälte und Firmen dar – die entsprechenden Unternehmen werben sogar damit, dass Abmahnungen viel einträglicher als der Betrieb eines legalen Downloadangebots seien.
  • Zuletzt meine persönliche Nummer 1: „Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein“. Wir alle wissen, dass das Internet nie rechtsfrei war – trotzdem wird dieser Satz gebetsmühlenartig wiederholt, garniert mit Beispielen aus dem Glücksspielumfeld, der rechtsradikalen Szene oder dem, was gerade thematisch passt. Die aus diesem Satz resultierenden Verrücktheiten werden uns in den nächsten Jahren noch viel Ärger bereiten.

Viel Aufräumarbeit also für die Lukes und Leias in uns allen. Wir werden erleben, dass die FDP bei diesen Themen nicht immer unser Freund sein wird – und die CDU nicht immer der tatsächliche Gegner. Freuen Sie sich also mit mir auf „Episode 7 – Die Ausmistung des Augiasstalls“ – zu sehen in diesem Lande in den nächsten vier Jahren.

Herzlichst,

Ihr JeanLuc7

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