Werte Leserinnen und Leser,
Die USA haben nun endlich das lang diskutierte Dokument ihrer Foltertätigkeit nach 2001 veröffentlicht. Darin zu lesen sind viele Abscheulichkeiten und vor allem die Aussage, dass alle Brutalitäten der CIA und ihrer Kumpanen in Polen, Rumänien und anderen Unterstützerstaaten letztlich kaum Verwertbares geliefert haben. Das ist nicht überraschend: wir wissen seit langem, dass unter Folter erzwungene Geständnisse meist falsch sind.
Ebenso wenig überraschend ist die Reaktion einiger Nationen auf die Veröffentlichung: China und Nordkorea haben bereits verkündet, sich weitere Einmischungen in deren „interne Angelegenheiten“ – damit meinen sie die Einhaltung der Menschenrechte in ihren Ländern – zu verbitten. Und vom wem sollten zukünftig auch Vorwürfe erhoben werden können, wenn die einen genauso foltern wie die anderen, sobald es irgendwie nützlich erscheinen mag.
Ich bin sicher ganz weit weg davon, die USA vor berechtigten Vorwürfen oder gefälligen Repliken von Schurkenstaaten in Schutz zu nehmen. Denn tatsächlich steht es um die Bürgerrechte in den USA nicht gut: die derzeitigen Demonstrationen gegen gewalttätige Polizisten und die nach wie vor reale Ungleichbehandlung von Weißen und Nicht-Weißen sind Beleg genug. Und Ausländer haben in den USA keinen Anspruch auf Bürgerrechte, wie wir spätestens seit dem NSA-Skandal wissen.
Dennoch: Das Dokument der USA-Foltertätigkeit wurde erstellt und existiert. Es kann von den Bürgern eingesehen werden. Allein das ist ein nicht zu unterschätzender Unterschied zwischen den USA auf der einen und China, Russland, Nordkorea und vielen weiteren Staaten auf der anderen Seite. Können Sie sich vorstellen, dass China im kommenden Jahr einen Folterbericht herausgibt und darüber diskutieren lässt? Oder gar Nordkorea? Sic.
Diese Welt ist alles andere als optimal oder gerecht. Aber solange es noch möglich ist, die Stimme zu erheben gegen staatliche Gewalt und zudem noch Gehör zu finden, ist noch nicht alles verloren.
Es grüßt herzlich
Ihr JL7