Oberwasser im Planschbecken

Werte Leserinnen und Leser,

nachdem nun auch die Mutter aller Kanzler unerwartet deutlich Position bezogen hat, haben wir eine neue Diskussion um die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung (VDS). Die beiden auf-rechten Kommentatoren der FAZ Müller und von Altenbockum – übrigens wahrscheinlich die letzten ernstzunehmenden Journalisten, die sich für allgemeine Überwachung begeistern können – haben seitdem Oberwasser und veröffentlichen beinahe mehrmals täglich Artikel, in denen sie die Gefahr einer Islam-Apokalypse apostrophieren und deshalb vehement eine neue VDS fordern (hier, hier und hier).

Dabei wird den Lesern der FAZ viel Sand in die Augen gestreut, indem behauptet wird, dass sowohl das Bundesverfassungsgericht (BverfG) als auch der Europäische Gerichtshof (EUGH) die Vorratsdatenspeicherung grundsätzlich für zulässig erklärt haben. Beim BVerfG-Urteil mag man das noch so herauslesen können, der EUGH war jedoch viel deutlicher.

Der EUGH hat die Vorratsdatenspeicherung in ihrer allgemeinen Form für unzulässig erklärt – damit ist die anlasslose Erfassung der Daten aller Bürger vom Tisch – es muss schon ein Grund vorliegen, um überwachen zu dürfen. Das ist bereits heute Praxis in der Polizeiarbeit – auch Abhörmaßnahmen und Observierungen sind nur zulässig, wenn ein Verdachtsmoment besteht (und ein Richter die Maßnahme genehmigt).

Man könnte also bekannte Täter oder Verdächtige erfassen, aber gerade nicht jeden einzelnen Bürger. Das ist zwar nicht das, was sich die Sicherheitskräfte erhoffen, aber es wäre grundrechtskonform. Unsere Politiker begründen die Wiedereinführung der VDS gern mit zukünftigem Islamistenterror – die Islamistenterrorfreunde und ihre Vettern von der Salafistenfront kennen wir aber offenbar, sonst könnte man deren Ausweise nicht durch fragwürdige Papierdokumente ersetzen wollen.

Ein gern gesagtes Argument lautet, es würde ja ohnehin nur das gespeichert, was bei den Telefonunternehmen sowieso anfiele. Nun – die VDS-Richtlinie aus 2006 sah vor, eine Menge zusätzlicher Daten zu erfassen, z.B. Ort und Zeit von Login und Logout mobiler Endgeräte, Ort, Beginn und Ende des Schreibens von SMS usw. Diese Daten entstehen bei den Telefonunternehmen zwar aus technischen Gründen, sie speichern sie aber nicht, weil sie für die Abrechnung unwichtig sind.

Solche Daten sind für die Polizei sicher spannend, sie stehen aber spätestens seit dem EUGH-Urteil unter Grundrechtsschutz. Eine neue, verfassungskonforme VDS sähe daher deutlich anders aus als das, was wir im Jahr 2010 hatten – sie entspräche eher dem „Quick Freeze„, den die ehemalige Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger bereits 2011 vorschlug – der damals dem Innenministerium aber viel zu eng gefasst war.

Es lohnt sich oft, eine Situation von einem höheren Standpunkt aus zu betrachten. Im vorliegenden Falle scheint es, die VDS-Freunde sitzen mit Oberwasser in einem Planschbecken.

Es grüßt herzlich

Ihr JeanLuc7

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