Asterix go!

Werte Leserinnen und Leser,

wenngleich ich ein großer Verfechter der europäischen Idee und auch der Europäischen Union bin – ich freue mich darüber, dass die Wallonen Asterix-gleich nach wie vor Widerstand leisten gegen das Handelsabkommen CETA, das die EU mit Kanada schließen möchte.

CETA soll den Handel zwischen Kanada und der EU erleichtern, indem ein paar Zölle wegfallen und ein für Investoren positives Klima geschaffen wird. Dazu saßen Vertreter der EU und Kanada seit 2009 zusammen mit ein paar Großkapitalisten hinter verschlossenen Türen, um das Vorhaben in einen Vertrag zu gießen. Heraus kam ein Vorschlag, der die Großinvestoren frühzeitig am demokratischen Entscheidungsprozess beteiligt, indem sie bereits nationale Gesetze bereits vor der Diskussion im Parlament redigieren und investitionsfeindliche Teile entfernen dürfen. Der Vorschlag sah außerdem die Schaffung privater Schiedsgerichte vor, durch die Großkonzerne in die Lage versetzt werden, für getroffene nationale Entscheidungen Entschädigungen für entgangene Gewinne zu erhalten. Das Abkommen sollte ferner ewig laufen und in der Zukunft auch alle Handelssparten einschließen, die im Vertrag nicht explizit als ungeregelt ausgeschlossen wurden – also auch neue Wirtschaftszweige, die wir heute noch gar nicht kennen.

Einige dieser geschossenen Böcke hat man aufgrund des Protests vieler hunderttausend europäischer Bürger inzwischen abgemildert. Die Schiedsgerichte sind nicht mehr so ganz privat, wenngleich sie nach wie vor „investorenfreundlich“ entscheiden sollen. Das Bundesverfassungsgericht hat der deutschen Regierung zudem aufgetragen, dass ein nachträglicher Ausstieg möglich sein und eine Beteiligung des Parlaments an für Deutschland relevanten Fragen sichergestellt sein muss.

Trotzdem bleibt CETA – ebenso wie sein fetter Bruder TTIP – ein Abkommen, das weit über die Thematik der Handelspolitik hinaus geht. Es ist nicht Aufgabe eines Abkommens, ein wirtschaftsfreundliches Klima für alle Zeit festzuschreiben. Eine Mitsprache von Großinvestoren bei der politischen Willensbildung ist bereits heute gang und gäbe im Rahmen des überall anzutreffenden Lobbyismus – der EU-Kommissar Oettinger versteht sich beispielsweise sehr gut darauf. Ein solches Mitspracherecht aber festzuschreiben und damit den Investoren die Chance zu geben, demokratische Entscheidungsprozesse im Vorfeld massiv zu beeinflussen – das ist untragbar.

Dennoch hat die Bundesregierung beschlossen, CETA unbedingt zu wollen, genau wie 27,5 andere Staaten auch. Denn ohne CETA wird die EU handlungsunfähig, so behauptet man. Tatsächlich aber würde nur ein Vertragswerk, das weit über das Ziel hinaus schießt, ein Fall für den Papierkorb. Das wäre eine Blamage – aber auch eine Chance, das ganze noch einmal richtig anzugehen. Senkt Zölle und beseitigt Handelsbarrieren, indem Ihr ungleiche, aber ähnliche Standards anpasst. Ein solches Beispiel sind die Auto-Blinkerfarben in USA und der EU, die für die Automobilfirmen die Produktion von zwei unterschiedlichen Chargen bedeuten. Aber wenn regionale Besonderheiten beseitigt werden sollen, damit überall gleiche Verhältnisse herrschen, sollte man besser auf den Handelshemmnissen bestehen. Champagner kommt nun mal aus der Champagne, die vielen Sorten Rohmilchkäse aus kleinen Betrieben, und Thüringer Würste aus anderen Regionen als Thüringen haben auch einen seltsamen Beigeschmack (im doppelten Sinn).

Zuletzt werden von Befürwortern der Handelsverträge gerne ein paar Hammer-Argumente ausgepackt: das Wirtschaftswachstum! Populismus! Antiamerikanismus! Nun, während sich die beiden letzten eigentlich von selbst entlarven anhand der vielen Übergrifflichkeiten von CETA und TTIP, ist das Wirtschaftswachstum tatsächlich ein zu diskutierender Faktor. Es mag zutreffen, dass mit CETA und TTIP die Wirtschaft wächst und gerade Deutschland als exportorientiertes Land davon profitiert. Auf der anderen Seite der Waage liegen jedoch die demokratischen Prozesse, die man aufgibt zugunsten einer größeren Kontrolle durch multinationale Konzerne. Meine Wahl ist klar: Ich verdiene lieber etwas weniger in einem Staat, in dem meine Stimme noch etwas zählt – als in einer Wirtschaftsdiktatur, in der Herren in grauen Anzügen in Hinterzimmern entscheiden. Wer nun sagt, das sei schon immer so: Mit CETA und TTIP wird es noch viel mehr außerstaatliche Kontrolle geben.

Also liebe EU-Kommmission: lasst die Wallonen Euch blamieren, aber lernt endlich einmal daraus. Verträge wie CETA und TTIP sind nicht mehr durchsetzbar. Wenn Ihr Handelsabkommen schließen wollt, dann schließt Handelsabkommen, aber keine quasi-diktatorischen Verträge, die uns in Hinterzimmern entmündigen.

Es grüßt herzlich,

Ihr JL7

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