Eine Antwort von Herrn Voss

Werte Leserinnen und Leser,

das ging schnell! Heute morgen traf eine Antwort von Herrn Voss auf meine Mail von gestern ein. Ich möchte sie Ihnen nicht vorenthalten. Der Text ist vollständig und unverändert, ich habe lediglich an einigen Stellen Kommentare eingefügt.

Sehr geehrter Herr Brennecke,

vielen Dank für Ihre Mail. Zu Ihren Anmerkungen zur geplanten Reform des Urheberrechts kann ich Ihnen folgendes mitteilen.

Leider gehen zurzeit viele Menschen von Annahmen aus, die gerne gestreut werden, um den dringenden Reformprozess für das Urheberrecht zu unterminieren und die diejenigen, die kreative Leistungen erbringen oder dafür wirtschaftlich/strukturell verantwortlich sind, um ihre faire Vergütung bringen wollen. Ich glaube, es kann nicht die  Absicht dieser Menschen sein, diese Ausbeutungsmentalität großer Plattformen weiter unterstützen zu wollen.

Keiner – und wirklich absolut KEINER – im Europäischen Parlament will eine „Zensur“, „Filter“, „Link-Steuer“ oder die Beeinträchtigung der Meinungsfreiheit, wie dies plakativ gern unterstellt wird. Und es ergibt sich auch nicht aus den zugrundeliegenden Kompromissen. Wer etwas Anderes behauptet, verbreitet bewusst Falschinformationen und dies auch noch im wirtschaftlichen Interesse und zur Unterstützung der großen Internetplattformen.

Dass im EU-Parlament tatsächlich alle nach den deutschen freiheitlich-demokratischen Regeln spielen, bezweifle ich. Axel Voss‘ eigene Fraktion, die EVP, beherbergt unter ihrem Dach u.a. auch die Fidesz-Partei des ungarischen Ministerpräsidenten Orban. Ich möchte wetten, dass man dort durchaus auslotet, inwieweit die neuen Filter auch für Zensur taugen.

Was wir wollen, ist eine faire Vergütung der Urheber auch in einem digitalen Zeitalter und eine faire Vergütung derer, die die Verbreitung dieser geschützten Leistung wirtschaftlich und strukturell absichern.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch gerne noch einmal darauf hinweisen, dass das geistige Eigentum grundrechtlich geschützt ist. Mit anderen Worten: die Meinungsfreiheit gilt nicht dort, wo die Grundrechte anderer verletzt werden, d.h. Urheberrechtsverletzungen sind natürlich nicht von der Meinungsfreiheit geschützt und in diesem Fall muss eine Abwägung zwischen beiden Grundrechten stattfinden.

Der Schutz der Rechte an geistigem Eigentum und die Förderung eines breiteren Zugangs zu Werken sind die Säulen der wirtschaftlichen Nutzung des Internets und Grundlagen der digitalen Wirtschaft der EU. Doch gerade dort sind immer mehr urheberrechtlich geschützte Werke illegal und ohne Genehmigung der Rechteinhaber erhältlich. Das ist ein Problem!

Soweit, so gut. Mit dem Hinweis auf mangelhaften Respekt vor geistigem Eigentum im Internet hat Herr Voss leider auch heute noch Recht.

Zu Artikel 11:

Artikel 11 führt KEINE Link-Steuer ein. Die private Nutzung von Hyperlinks bleibt völlig kostenfrei, denn diese ist von dem Leistungsschutzrecht des Art. 11 ausgenommen. Es ist somit völlig falsch, von einer Link-Steuer zu sprechen. Ich kann daher auch nicht erkennen, wie Sie bei der privaten Nutzung Nachteile haben sollten.

Ausschließlich für die kommerzielle Verwendung können Presseverleger eine Vergütung verlangen. Das halte ich auch für absolut gerechtfertigt. Die Presseverleger tragen die rechtliche und wirtschaftliche Verantwortung für die Inhalte und müssen daher auch entsprechend gestärkt werden. Dies nicht zuletzt um den Qualitätsjournalismus zu stärken. Es werden ihre Inhalte genutzt, also müssen auch sie eine Vergütung verlangen können.

Ausschließlich für kommerzielle Verwendung – mit anderen Worten, es gibt eben doch eine Link-Steuer, sie wird aber nur von kommerziellen Nutzern erhoben. Wer das ist? Na, alle, die mit ihren Webseiten Geld verdienen. Dazu gehören nicht zuletzt auch Blogbetreiber, sofern sie Bannerwerbung zulassen. Im Grunde sind nur wirklich rein private Seiten von einer Lizenzpflicht ausgenommen. Jeder auch noch so kleinen Betrieb sollte sich in Zukunft sehr genau anschauen, welche Webseiten er verlinkt.

Auch die Möglichkeit sich über verschiedene Nachrichtenquellen zu informieren, wird überhaupt nicht eingeschränkt, es ist nämlich weder Teil des Art. 11 noch kann das Verlegerrecht logischerweise überhaupt solche Konsequenzen erzeugen, noch wäre der politische Wille dafür da, denn: eine vielfältige Presselandschaft stellt ein hohes gesellschaftliches Gut dar.

Nun, daran hat auch niemand gezweifelt. Nur sollen die Leute doch bitte wieder direkt auf den Verlegerseiten lesen und suchen – und natürlich bitte ohne Adblocker.

Zu Artikel 13:

Wir wollen mit Art. 13 erreichen, dass die Plattformen, die ihre Geschäftsmodelle auf der Verbreitung von urheberrechtlich geschützten Inhalten aufgebaut haben, für diese auch bezahlen. Wir verlangen daher eine Lizenzpflicht, so dass die Rechteinhaber, nämlich die Künstler, auch fair für ihre Leistung entlohnt werden. Es ist nicht akzeptabel, dass große Plattformen deren Werke veröffentlichen, riesige Gewinne erzielen und diejenigen, die die Werke erarbeitet haben, nichts erhalten. So ist es jedoch momentan. Die Künstler gehen weitgehend leer aus!

Unsere Prämissen sind deshalb:

1) dass die Plattformen mehr Verantwortung für die urheberrechtlich geschützten Inhalte auf ihren Plattformen übernehmen und

2) Urheberrechtsverletzungen von Beginn an, soweit es möglich ist, vermeiden.

Hierzu haben wir die Plattformen definiert, die unter den Art. 13 fallen sollen. Danach sind nur Plattformen betroffen, deren Zweck es ist, von ihren Nutzern hochgeladene urheberrechtlich geschützte Werke zu speichern und diese anderen wieder öffentlich zugänglich zu machen. Wenn die Plattformen diese Inhalte dann auch noch entsprechend organisatorisch optimieren, kann man nach der EuGH-Rechtsprechung davon ausgehen, dass sie um den urheberrechtlichen Schutz ihrer Inhalte wissen.

Mit anderen Worten, der Großteil der im Internet existierenden Plattformen fällt gar nicht unter den Art. 13. Und dies selbst dann nicht, wenn sich doch einmal ein urheberrechtlich geschütztes Werk auf der Plattform befinden würde. Dieses müsste dann entsprechend nach dem derzeitig existierenden Recht beurteilt werden, welches durch Art. 13 nicht verändert wird.

Die Sorge z.B. um Online-Enzyklopädien, wie Wikipedia, ist völlig unbegründet, da diese aus dem Anwendungsbereich des Art. 13 explizit ausgenommen sind.

Um den Schutz der urheberrechtlichen Werke zu gewährleisten, sollen die Plattformen aufgrund der Informationen, die die Rechteinhaber zur Verfügung stellen müssen, sicherstellen, dass die Plattformen erkennen können, dass es sich um ein geschütztes Werk handelt. Hierfür wird Erkennungssoftware eingesetzt, die seit ca. 10 Jahren bereits existiert und zum Beispiel von Youtube auf freiwilliger Basis eingesetzt wird (ohne dass es bis heute eine Anti-Zensur-Kampagne ausgelöst hat).

Da die Software nur auf Grundlage der von den Rechteinhabern zur Verfügung gestellten Informationen arbeitet, können denklogisch auch nur deren urheberrechtlich geschützte Werke erkannt werden. Die Maßnahmen, die die Plattformen hier also ergreifen sollen, um Urheberrechtsverletzungen zu erkennen, müssen natürlich ohne Frage in Einklang mit Grundrechten stehen.

Hier die wesentlichen Richtigstellungen der falsch im Umlauf kreisenden Behauptungen:

1) Dort, wo Plattformen lizenzieren, wird kein Upload verhindert.

2) Dort, wo Rechteinhaber keine Informationen zur Verfügung stellen, wird kein Upload verhindert.

3) Dort, wo Inhalte hochgeladen werden, die nicht urheberrechtlich geschützt sind, wird kein Upload verhindert.

4) Dort wo jemand eigene urheberrechtlich geschützte Inhalte auf Plattformen hoch lädt oder hochladen lässt, wird kein Upload verhindert.

5) Artikel 13 lässt auch wie bisher die sog. Memes im Hinblick auf die Parodie- oder Zitatfreiheit zu. Es ist somit völlig maßlos, ungerechtfertigt, überzogen, sachlich falsch und gelogen von „Filtern aller Inhalte“, „Upload-Blockern“ oder gar von einer „Zensur“ zu sprechen. Das ist im Übrigen auch völlig verantwortungslos!

Es wäre nicht das erste Mal, dass gut gemeinte Vorschläge zu einer miserablen Umsetzung führen oder gar zu Missbrauch. Mahner als „völlig verantwortungslos“ zu brandmarken ist immer schlechter politischer Stil. Was Herr Voss nicht erwähnt: es wird zukünftig nur die Wahl zwischen dem Erwerb teurer Lizenzen oder der Nutzung eines Uploadfilters geben. In diese Filter kann zunächst einmal jeder einspeisen, was er für sein geistiges Eigentum hält; es werden nur nachträgliche Prüfungen ermöglicht. Das schreibt Herr Voss auch:

Wenn es nun dennoch zu einer ungerechtfertigten Verhinderung des Uploads käme, dann müssen die Plattformen ein Verfahren anbieten, dass die Rechte klärt bzw. Beschwerden zügig bearbeitet. Die jeweilige Entscheidung der Plattform darüber, einen Upload zuzulassen oder nicht, kann darüber hinaus noch gerichtlich überprüft werden. Es wird also wirklich jedem Beteiligten und jeder Seite Sorge getragen. Eine Unverhältnismäßigkeit kann ich hier nicht erkennen.

Wie ich bereits in meiner Mail schrieb: Ich denke, Herr Voss lebt wie viele deutsche Politiker in der deutschen Filterblase des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats, der bei uns gut funktioniert. Das tut er aber nicht europaweit. Polen und Ungarn sind inzwischen keine echten Rechtsstaaten mehr, in Österreich und Italien regieren die Populisten, und dann kommen noch jene Länder hinzu, in denen die politische Kaste korrupt bis ins Mark ist. Das sind alles Fälle, in denen Uploadfilter missbraucht werden können.

Wir als EVP-Fraktion versuchen, die Interessen sowohl der Urheber als auch der Verbraucher zu schützen, in dem die Tragfähigkeit und die Vielfalt der europäischen Kreativ- und Kulturwirtschaft erhalten werden. In Art. 11 und 13 kommt diese Balance zum Ausdruck.

Mit freundlichen Grüßen

Axel Voss

Unerwähnt bleibt bei Herrn Voss der Druck, den vor allem EVP-Abgeordnete der CDU/CSU auf ihre Kollegen ausgeübt haben. Offenbar erschließt sich auch den EVP-Abgeordneten nicht vollständig, was die beiden Paragraphen 11 und 13 bewirken sollen. Nun, nicht jeder hat einen Matthias Döpfner vom Springer-Verlag im Nacken.

Es grüßt herzlich

Ihr JL7

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