Abmahnen – Business as usual

Werte Leserinnen und Leser,

die Bundesregierung will dem Abmahnwahn einen Riegel vorschieben – fünf Jahre nach dem ersten missglückten Versuch. Seinerzeit sollten Abmahnungen gedeckelt werden auf maximal 100 Euro, sofern sie nicht ein gewerbliches Ausmaß erreichten. Dummerweise verstanden die Rechtsanwälte und auch die Gerichte unter „gewerblich“ etwas ganz anderes als der gemeine Bürger: der aktuellen Rechtsprechung nach genügt bereits das Anbieten eines einzigen Liedes in einer Tauschbörse als „gewerblicher Umfang“.

Falls es Ihnen nicht bekannt sein sollte: jede derzeit verfügbare Software zum Herunterladen aus Tauschbörsen stellt die eigenen Downloads auch gleich wieder der Gemeinschaft zur Verfügung. Die Downloader werden daher oft unbewusst zu Uploadern – und damit zu willkommenen Opfern von Kanzleien, die sich teilweise komplett auf den Versand von Abmahnungen umgestellt haben. Bei Streitwerten um 50.000 € konnten damit pro Abmahnung Beträge von 1000 bis 2000 € erlöst werden – ein äußerst lohnendes Geschäft. Die Firma DigiRights Solutions GmbH konnte das schon im Februar 2009 gut vorrechnen (aus einer Präsentation von DigiRights unter dem Stichwort „Vergleich Ertrag legale ./. illegale Downloads„):

  • ca. € 0,60 (netto) pro legal verkauftem Download gegenüber € 90,00 pro erfassten illegalen Download bei Rechtsverletzern, die zahlen
  • Der Ertrag bei erfassten und bezahlten illegalen Downloads ist das
  • 150 fache! Das bedeutet: Wenn 1.250 Rechtsverletzer erfasst werden, die zahlen, müssten zur Erwirtschaftung des entsprechenden Ertrages 150.000 Downloads legal verkauft werden
  • Bei einer Zahlquote von 25 % müssten also pro Monat 5.000 illegale Downloads eines bestimmten Produktes erfasst werden. Dies ist pro Woche eine Erfassungszahl von 1.000, was bei gut laufenden Themen realistisch ist
  • Die Zahlquote wird durch Vergleichsschlüsse und Ratenzahler regelmäßig bei einem durchschnittlichen Überwachungs- und Bearbeitungszeitraum von 6 Monaten gesteigert

Es ist demnach lohnenswerter abzumahnen statt legal Musik zu verkaufen. Daran hat sich bis heute (2013) nichts geändert. In 2011 wurden 218.560 Abmahnungen wegen Filesharings ausgesprochen.

Die Bundesjustizministerin Frau Leutheusser-Schnarrenberger wollte es diesmal besser machen. Die erste Abmahnung sollte einen Streitwert von maximal 500 € besitzen – das hätte eine Abmahnung von etwa 75 € bedeutet – ohne Ausnahme. Damit wäre das Geschäftsmodell der Abmahnkanzleien erheblich beeinträchtigt worden. Soweit, so gut.

Nun aber trat der bereits mehrfach durch Internet-Unverständnis auffällig gewordene Günther Krings auf den Plan. Der Vorschlag verkenne, „dass das geistige Eigentum im Internet mit Füßen getreten wird“, so Krings. Auf sein Drängen hin wurde der Vorschlag in entscheidenden Teilen geändert: Demnach dürfen Anwälte einen Streitwert von 1000 € ansetzen, das ergibt maximal eine Gebühr plus Auslagenpauschale und Umsatzsteuer in Höhe von 155,30 Euro. Wer allerdings in gewerblichem Ausmaß Urheberrechte verletzt, muss auch weiterhin die volle Gebühr zahlen – Sie ahnen schon, worauf das hinausläuft. Krings lobte diese Änderung allerdings über den grünen Klee: „Damit stellen wir sicher, dass einerseits Eltern und ihre Kinder vor überzogenen Abmahnkosten geschützt sind, dass aber andererseits das massenhafte Raubkopieren nicht in den Genuss dieses Privilegs kommt“.

Herr Krings hat es also wieder einmal geschafft, eine sinnvolle und notwendige Maßnahme, die zu einer Befriedung der Verhältnisse zwischen Rechteinhabern und Konsumenten führen könnte, zu torpedieren. Wir werden sehen, dass auch dieses neue Gesetz sich wieder als zahnloser Tiger erweisen wird. Nach wie vor werden die Abmahnanwälte von „gewerblichem Ausmaß“ sprechen, und vermutlich dürfte in Krings‘ Augen ein Jugendlicher, der eine ganze Madonne-CD lädt (und damit anbietet), den Karriere-Einstieg als Internetverbrecher bereits geschafft haben.

Überrascht es Sie noch, dass Günther Krings selbst Jurist ist?

Es grüßt herzlich

Ihr JeanLuc7

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