Werte Leserinnen und Leser,
Horst Seehofer und Angela Merkel haben sich wieder einmal gegen eine allzu frühe steuerliche Gleichstellung der Lebenspartnerschaft ausgesprochen; lieber wollen sie auf das Urteil des Bundesverfassungsgericht warten. Gleichzeitig konnte Seehofer der Verlockung nicht widerstehen, dem Bundesverfassungsgericht die Zuständigkeit für die Homosexuellen-Gesetzgebung abzusprechen.
Der bekannte Ehebrecher Seehofer kann sich mit seinem Widerspruch kaum auf Gott und die Bibel bezogen haben – immerhin steht Ehebruch dort als 6. Gebot eingerahmt von Diebstahl und Mord, wohingegen Homosexualität es nicht einmal als Randbemerkung bis in diese Liste geschafft hat. Er hätte daher besser geschwiegen.
Stattdessen ignoriert Seehofer lieber die 70% Zustimmung in der Bevölkerung: „Ein Urteil, das aus meiner Sicht die gesellschaftliche Notwendigkeit und Realität nicht richtig wiedergibt, muss auch diskutiert werden“. Ob er damit die Perspektive aus der heilen Welt seiner 50er-Jahre-Modelleisenbahn meint?
Frau Merkel verfolgt eine andere Strategie. „Ich war’s nicht“ hat schon bei der Wehrpflicht („Sparzwang“) und beim Atomausstieg („Fukushima“) funktioniert, warum also nicht bei der Gleichstellungsdebatte? Damit landet das Thema zwar vor der Sommerpause absehbar wieder vor ihren Füßen, aber ihre Hände darf sie in Unschuld waschen – und umgesetzt wird das ganze dann sowieso erst in der nächsten Legislaturperiode. Vielleicht kann man es dem möglichen nächsten Koalitionspartner SPD als erstes Kuckucksei ins Justizministerium legen?
Warten wir also bis zum Sommer; danach kann das Thema von der Tagesordnung genommen werden, weil die Gleichstellung unvermeidbar kommen wird. Selbst der mit der rechtlichen Prüfung beauftragte Günther Krings wird daran nichts ändern können, auch wenn wir speziell bei ihm noch mit ein paar juristischen Spitzfindigkeiten rechnen dürfen, z.B. den Versuch, ersatzweise ein neues „Familiensplitting“ zu etablieren. Aber weil dahinter eben doch nur latente Homophobie steckt, werden solche Tricks letztlich scheitern.
Wieder einmal verpasst die CDU eine große Chance, selbst Zeichen zu setzen. Stattdessen suggeriert sie der „eigenen“ Klientel, dass dumpfe Stammtischparolen und flache Schwulenwitzchen durchaus zum eigenen Repertoire gehören dürfen und man davon auch nicht lassen möchte.
Was hingegen Seehofers und anderer Politiker der CDU/CSU (Erika Steinbach, Katharina Reiche, Volker Kauder, …) Kritik an Urteilen des Bundesverfassungsgerichts betrifft, so sollte man sie daran erinnern, dass eben dieses Gericht niemals von selbst tätig wird. Immer sind es Klagen von Bürgern, Organisationen oder Parteien, die zur Bestärkung oder zur Ablehnung von Gesetzen führen. Im Falle des Adoptionsrechts hatte der Gesetzgeber bewusst die gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften ausgeschlossen – und deshalb zu Recht eine Niederlage kassiert. Daraus sollten Seehofer und Konsorten vor allem einen Schluss ziehen: Wer schlampige Gesetze macht und aus Rückständigkeit, Homophobie oder Beratungsresistenz nicht auf Fachleute hören will, muss eben zu seinem Glück gezwungen werden.
Oder man wählt ihn ganz einfach nicht mehr.
Es grüßt herzlich,
Ihr JeanLuc7