Von Schwulen und Zaren

Werte Leserinnen und Leser,

In Russland hat eine große Mehrheit im Parlament vor einigen Tagen ein Gesetz ratifiziert, das „Homosexuellenpropaganda“ unter Strafe stellt. Darunter versteht der russische Staat das Reden über Homosexualität in der Öffentlichkeit; man begründet diesen Schritt damit, dass Kinder gefährdet seien und auf die schiefe, homosexuelle Bahn geraten könnten. Und man verklärt den Schritt als demokratische Entscheidung, da auch das Volk nach Umfragen zu etwa 80% dem Gesetz zustimmt.

So funktioniert also die lupenreine Demokratie in Russland: Man erklärt Minderheiten zu Rechtlosen, die über ihre Situation nun nicht einmal mehr reden dürfen und sonnt sich in der Zustimmung durch das Volk.

Beleuchten wir nun einmal den russischen Rechtsstaat genauer. Das Wesen eines Rechtsstaats beruht vor allem darauf, dass Gesetze für alle und an jedem Ort zu gelten haben, so dass der Einzelne jederzeit weiß, worauf er sich einlässt. Sie sehen bereits, ein Rechtsstaat allein ist kein Garant für persönliche Freiheit – aber Russland geht noch einen Schritt weiter.

2014 stehen die olympischen Winterspiele in Sotschi vor der Tür. Rechtzeitig davor hat das Internationale Olympische Komitee (IOC) in Russland nachgefragt, wie man es denn mit den vielen Schwulen und Lesben halten werde, die im Gefolge der Sportler nach Sotschi strömen werden. Denn das IOC möchte sich, wie bereits 2008 in China gut zu erkennen war, stets als Freund der Regierungen regierten Minderheiten verstanden wissen.

Flugs erklärte man in Russland – natürlich ohne das Parlament zu fragen – , während der Olympischen Winterspiele werde das Homosexuellen-Redeverbots-Gesetz einfach nicht angewandt. Zwar ist noch nicht klar, ob diese Nichtanwendung sich nur auf die Stadt Sotschi bezieht oder ganz Russland – aber das IOC war zufrieden und vermeldete stolz,  Sport sei ein Menschenrecht, und man habe sichergestellt, dass die Spiele ohne Diskriminierung von Athleten, Funktionären, Zuschauern und Medien stattfinden. Man mag eben keine hässlichen Bilder.

Reden wir einmal nicht davon, wie unsinnig dieses russische Gesetz tatsächlich ist und wie sehr es Menschenrechte grundlegend verletzt – das alles ist offensichtlich. Wir wissen, dass Russland keine freiheitliche Demokratie ist. Aber sogar der russische Rechtsstaat ist derart unterhöhlt, dass man Gesetze einfach ab- und wieder anschalten kann, wie es eben passt. Da ist inzwischen sogar China weiter.

Einer der Vorkämpfer in Russland für die Rechte von Schwulen und Lesben, Nikolai Alexejew, kündigte an, für den Tag der Eröffnung der Winterspiele am 7. Februar 2014 eine Schwulen- und Lesbenparade in Sotschi zu beantragen. Wir werden dann sehen, ob die Russen ihren Rechtsstaat für ein bisschen internationalen Glanz beim Sport verkaufen.

So oder so – Russland ist derzeit kein Ort, an dem Freiheit und Recht gedeihen können. Man achtet dort weder Minderheiten. noch braucht man Mehrheiten. Man könnte glauben, dass nach nicht ganz 100 Jahren wieder ein Zar regiert.

Herzlichst

Ihr JL7

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