Werte Leserinnen und Leser,
Nach dem Brexit präsentiert uns das Jahr 2016 einen weiteren Schock: Donald Trump wird tatsächlich Präsident der USA – eine Entscheidung, auf die ich niemals auch nur einen Cent gewettet hätte. Ein Rassist, Sexist, Lügner, einer, der sich nicht schert um Konventionen und Höflichkeit, dem Minderheiten egal sind, dem Demokratie und Rechtsstaat eher im Wege denn Leitlinien sind, gewinnt die Wahl gegen die schlechteste Kandidatin, die die Demokratische Partei präsentieren konnte. Man hätte denken können, Clinton habe es leicht gegen diesen Irren, aber es lief genau andersherum: Trump hatte es leicht gegen Clinton.
Was folgt nun? Trump hat eine respektable Mehrheit der eigenen Partei im Kongress und im Senat hinter sich. Damit kann er innenpolitisch alles Mögliche machen, sofern es den Abgeordneten gefällt. Wir werde wohl eher nicht erleben, dass eine Mauer an der Grenze zu Mexico gebaut wird. Eine rigide Einwanderungspolitik ist hingegen fast garantiert. Für Muslime in den USA wird das Leben unbequem werden, denn Trump hat wiederholt erklärt, sie in eine Art Sippenhaft zu nehmen und sie vollständig zu überwachen. Wirtschaftlich kann Trump die USA vom Globalismus nicht vollständig abkapseln, weil Teile der US-Wirtschaft von günstigen Löhnen in Fernost abhängen. Wie er es schaffen will, das US-Defizit zu verringern und glechzeitig die Steuern für alle zu senken, wird wohl noch länger sein Geheimnis bleiben.
Außenpolitisch sieht die Sache für den Mann mit dem Atomkoffer ganz anders aus. Wie jeder US-Präsident zuvor darf Trump Kriege beginnen und muss dem Senat erst 60 Tage später Rede und Antwort stehen. In der Handelspolitik will er „America First“ und vor allem keine Handelsverträge. TTIP ist also tot, aber wohl auch jeder Versuch, die vernünftigen Teile aus TTIP zu retten. Das Atomabkommen mit dem Iran landet in der Rundablage. Und Trump als ausgewiesener Klimawandelleugner wird auch keine Klimaabkommen unterzeichnen. Damit ist das Zwei-Grad-Ziel nicht mehr erreichbar.
Was kommt aber auf uns zu? Denn leider ist die Liste der Erfolge für Rechtspopulisten damit noch nicht komplett abgearbeitet: mit Hofer in Österreich und Le Pen in Frankreich stehen zwei weitere fragwürdigen Gestalten davor, die Macht zu erobern. Putin, Orban, Erdogan und die Kaczynski-Regierung in Polen bleiben uns weiter erhalten. Statt vorwärts zu gehen und uns um die wirklichen Probleme des Planeten zu kümmern, müssen wir jetzt aufpassen, dass die Populisten und Autoritären nicht alles zerstören, was wir an Freiheit und Gleichheit erreicht haben. Jene, die im Namen ihres Volkes regieren, vergessen nur zu gerne, dass in Demokratien auch die Minderheiten geschützt werden müssen, wenn man die Menschenrechte ernst nimmt. Dieser Kampf hat gerade erst begonnen – ihn dürfen wir nicht auch noch verlieren.
Es grüßt herzlich
Ihr JL7