Freedom Day – oder doch eher „Maske forever“?

Werte Leser:innen,

am gestrigen Mittwoch (16.02.2022) hat die Runde der Ministerpräsidenten zusammen mit Kanzler und Gesundheitsminister über den weiteren Umgang mit den Corona-Maßnahmen entschieden. In drei Stufen sollen bis zum 20. März die meisten Maßnahmen und Einschränkungen entfallen – nur sogenannte „Basismaßnahmen“ solle uns erhalten bleiben. Dies sind vor allem:

  • FFP2-Maske drinnen und im ÖPNV. Das bedeutet, dass im gesamten Einzelhandel weiterhin die FFP2-Maske getragen werden muss. Offenbar ist man sich weitgehend einig, dass auch über das Ende der vom Infektionsgesetz vorgesehenen Frist (19. März) weiterhin Maßnahmen möglich sein müssen, und man will dazu ein spezielles Gesetz erlassen. Auch Abstand soll weiterhin gehalten werden.
  • 2Gplus in Clubs und Diskotheken: Das „Plus“ steht für einen Schnelltest für zeifach Geimpfte; Geboosterte sollen wohl ohne Test eingelassen werden. Offenbar ist auch den Regierenden klar, dass eine Maskenpflicht in Clubs eine allzu alberne Vorschrift wäre. Immerhin dürfen die Clubs ab dem 4. März wieder öffnen. In Bayern wären sie dann bereits über zwei Jahre geschlossen gewesen. Man darf gespannt sein, was dort überlebt hat.

Nun halte ich die Maske bei engen Zusammenkünften in Räumen durchaus für ein probates Mittel. Allerdings bezweifle ich nach wie vor, dass man sich ausgerechnet in Supermärkten und dem Einzelhandel so nahe kommt, dass sie verpflichtend nötig wäre. Die aktuelle RKI-Statistik weist jedenfalls nicht einen einzigen Fall aus, der auf den Einzelhandel zurückzuführen wäre. Die Pflicht verhindert aber effektiv, dass die Leute gerne shoppen gehen. Und sie verhindert auch vertrauensvolle Gespräche zwischen Verkäufer und Kunde, weil man schon seit zwei Jahren keine Mimiken im Gesicht des Kunden mehr erkennen kann – ein wichtiges Thema für einen guten Verkäufer.

Ebenso stelle ich Maske und Abstand infrage als Grundvoraussetzung für das Stattfinden von Demos. So wenig ich den Argumenten der Querdenker und „Spaziergänger“ abgewinnen kann – deren Demos vorab und auf Vorrat zu untersagen, weil erwartet wird, dass sie sich nicht an die Regeln halten, ist absurd. Denn im Freien besteht kaum Gefahr. sich zu infizieren. Und wenn die Leute sich bewegen (die Demo also durch eine Straße zieht), ist auch der Abstand kein Thema. Die Diskussion darum, dass die derzeit illegalen „Spaziergänge“ gewalttätig eskalieren, liegt vor allem an dem zwanghaften Festhalten an Maske und Abstand. Wären die Demos legal, müsste die Polizei wegen ihrer bloßen Existenz nicht eingreifen. Wären zudem Abstand und Maske optional, müsste die Polizei auch nicht wegen Verstoßes gegen Corona-Verordnungen eingreifen. Dann gäbe es nur das rechtsradikale Pack, auf das sie weiterhin ein Auge haben müsste – aber eben nicht auf einfache Impfgegner oder Impfpflichtgegner, so fragwürdig deren Argumente auch sein mögen. Ich erinnere einmal an Rosa Luxemburgs Aussage: Freiheit ist insbesondere auch die des Andersdenkenden.

Wie es derzeit ausschaut, bleibt uns aber die Maske als „Basisschutz“ weiterhin erhalten. Die Expertengruppe spricht gar lediglich von einer temporären Aufhebung der Pflicht – man können vielelicht im Sommer darauf verzichten, sie aber im Herbst wieder auspacken.

Wie gesagt: wenn sie sinnvoll ist, sollte die Maske eingesetzt werden. Beispielsweise sollte jeder in öffentlichen Inneräumen mit anderen Menschen eine tragen, der Erkältungssymptome hat. Aber eine generelle Pflicht, ohne dass der Nachweis erbracht ist, dass die inkriminierten Orte tatsächlich Pandemietreiber sind, halte ich für verfehlt. Wir müssen zurück zu einer Politik, die Grundrechtseinschränkungen – ja, auch eine Pflicht zum Maskentragen ist eine – begründet, statt deren Aufhebung mit Worten zu erklären. Die Einschränkung ist der Sonderfall, nicht die Aufhebung.

Kommen wir zuletzt dazu, wer mit der Maske eigentlich geschützt werden soll. Ein Viertel der Bevölkerumng ist ungeimpft, darunter auch drei Millionen, die bereits über 60 Jahre alt sind. Gerade diese Gruppe ist weiterhin gefährdet, sie erleidet überduchschnittlich oft schwere Verläufe. Sie hatte allerdings auch ein ganzes Jahr Zeit, sich impfen zu lassen – und hat es bewusst unterlassen. Nach meinem Verständnis hat der Staat gemäß Artikel 2.1 GG alles getan, um diese Gruppe zu schützen. Wenn sie selbst nicht wollen, gibt es kaum Argumente, sie durch Maßnahmen zwangsschützen zu wollen. Eine Impfpflicht Ü50/Ü60 würde das Problem vielleicht lösen, allerdings steht auch diese juristisch aus mehreren Gründen (sehr lesenswert!) auf tönernen Füßen.

Bis dahin werden wir in den Medien wohl noch viele Artikel lesen dürfen, die für Impfpflicht, Maskenpflicht und Verschärfungen von Maßnahmen trommeln: ZEIT Online, Spiegel, und Tagesspiegel  liegen da auf einer relativ einheitlichen Linie in ihren Rückzugsgefechten. Nur die FAZ scheint sich neuerdings aus dem „Team Übervorsicht“ zu verabschieden. (Die Links führen zu tagesaktuellen Artikeln zum Thema.) Uns die allgemeine Impfpflicht ab 18 als zwingend nötige Maßnahme zu verkaufen, dafür gab es ein Zeitfenster ab Mitte November letzten Jahres, das sich mit dem Auftreten der Omikron-Variante im Dezember 2021 wieder schloss. Jetzt ist sie – siehe oben verlinkter Artikel zum Verfassungsblog – nicht mehr zu rechtfertigen.

Sollte ich einen Blick in die Kristallkugel wagen, dann käme wohl folgendes heraus: durch die normative Kraft des Faktischen verschwindet die Maske nicht von heute auf morgen, sondern im Laufe des nächsten Halbjahres Stück für Stück. Einzelhändler werden die Maßnahmen nicht kontrollieren, bei persönlichen Beratungen wird die Maske abgenommen, bis es dann eher die Regel ist, sie nur noch auf Wunsch aufzusetzen. Demos werden masken- und abstandsfrei und trotzdem nicht zu Pandemietreibern. Und sollte im Herbst tatsächlich eine neue Welle drohen, werden die gesellschaftlichen Kontrollen wohl wieder schärfer, und viele werden sich von selbst schützen wollen. Nur: eine staatliche Pflicht halte ich nicht mehr für erforderlich.

Es grüßt herzlich

Ihr JL7

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