In den letzten Tagen sind in den Online-Medien und auch im Printbereich einige lesenswerte Berichte erschienen, die ich gerne verlinken möchte.
Zunächst ist da die fast schon zynische Beschreibung über das Internet-Unwissen der Politiker, zu finden im Artikel „Denn sie wissen nicht, was sie tun„, einem Auszug aus dem Buch „Angriff auf die Freiheit“ von Ilija Trojanow und Juli Zeh auf Spiegel online. Die beiden Autoren beschreiben dort, welche Parteien man wählen sollte, wenn man auf die Wahrung von Bürgerrechten wert legt und präsentieren uns auch gleich eine Menge Beispiele für die Inkompetenz der führenden Politiker, wenn es um das Internet geht. Beispiel: Innenminister Schäuble zu den Online-Durchsuchungen:
„Unter Online-Durchsuchung wird Verschiedenes verstanden, das ist klar. Da wird…da wird sowohl verstanden… der Telekommunikation…der…der Verkehr, als auch die Durchsuchung in den Systemen selbst, weil die technische Entwicklung eben so ist, aber da müssen wir jetzt schon fast die…die…die Internetexperten genauer befragen. Sich so entwickelt, dass eben unsere, oder meine laienhafte Vorstellung, dass Internet so etwas Ähnliches sei wie ne moderne Telefonanlage, das stimmt eben lange nicht mehr, und deswegen braucht man da… Wenn Sie wollen, kann das der Herr Fromm genauer erläutern, der versteht’s ein wenig, richtig verstehen tut er’s wahrscheinlich auch nicht, denn das wär ja gar nicht gut (Gelächter unter den versammelten Journalisten),wenn der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz ein Online-Experte wäre.“
Auch Bundeskanzlerin Merkel wird dort zitiert:
„Eigentlich läuft alles ganz prima, aber trotzdem brauchen wir mehr Überwachung.“
Beides bedarf keines weiteren Kommentars. Die beiden Autoren kommen daher zu einer bedenkenswerten Aussage:
„Es geht um etwas viel Grundsätzlicheres – um Überwachung als Selbstzweck. … Die Politiker behaupten einen Zwang zum Handeln, wo zunächst einmal Diskussionsbedarf besteht, nämlich über die Frage, inwieweit und auf welche Weise der Staat auf technologische und gesellschaftliche Entwicklungen reagieren kann und soll.“
Als zweites möchte ich auf den Artikel „Zehn Thesen zum Web: Warum die Dummheit des Internets ein Segen ist“ von Christian Stöcker auf Spiegel Online hinweisen. Herr Stöcker hat seine Kompetenz in Sachen Internet schon mehrfach unter Beweis gestellt, und auch hier fasst er emotionsfrei alle wichtigen Punkte zusammen, die unsere Politiker beachten sollten, bevor sie in Bezug auf das Internet von rechtsfreien Räumen und anderem Unsinn reden. Gut erkannt ist beispielsweise seine These zum Jugendschutz:
„Sicher ist: Jugendschutzregelungen lassen sich in Grenzen immer umgehen, und das geschieht auch fortwährend. Jugendschutz ist ein Prozess, der permanent neu ausgehandelt werden muss, dessen Rahmenbedingungen ständig neu definiert werden müssen, damit das Recht des Einzelnen dabei nicht auf der Strecke bleibt. Das Moralempfinden einer bestimmten Generation zum Gradmesser für das zu machen, was im Netz erlaubt sein sollte, ist nicht nur technisch nicht umsetzbar – es wäre auch ein äußerst kurzsichtiger Umgang mit unserem höchsten Gut: unserer Freiheit.“
Zum dritten – ebenfalls auf Spiegel Online – geht Konrad Lischka in seinem Artikel „Die Rache des Textmonsters“ einen pragmatischen Weg zu zeigen, dass das Internet beileibe kein rechtsfreier Raum ist:
„Grundsätzlich ist das Internet genauso reguliert wie andere Lebensbereiche, sagt Thomas Hoeren, Richter und Jura-Professor für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht in Münster. Anfang der neunziger Jahre gab es da noch ganz andere Ansichten, als Juristen wie David Post von rechtsfreien Räumen schwärmten – aber „das ist in der Theorie und in der Praxis schon lange Vergangenheit“, sagt Hoeren.“
Der Autor beschreibt dann haarklein, wie vielen unterschiedlichen und teils auch widersprüchlichen Regelungen das Internet bereits unterliegt.
Sogar in der Printausgabe lässt die Zeit Ilija Trojanow und Juli Zeh berichten – der Artikel „Sicherheit total“ ist auch online zu lesen. Dort beschreiben sie die aktuelle Überwachungssituation in Deutschland und kommen zu dem Schluß:
„Wer etwas annähernd Objektives über unsere Sicherheit erfahren möchte, sollte nicht den staatlichen Sicherheitsexperten oder den medialen Angstprofiteuren zuhören, sondern lieber einen Blick in die Statistiken werfen. Er wird erkennen, dass Deutschland von Jahr zu Jahr sicherer wird, was nicht an Schäubles Anstrengungen liegt, sondern zum Beispiel an der verbesserten Automobiltechnologie.“
„Sicherheit lässt sich nicht herstellen, weil kein Risiko völlig ausgeschaltet werden kann. Im Grunde wissen wir das alle. Aber wir vergessen es, sobald uns Politiker und Journalisten die nächste Horrorvision vor Augen führen. Wir wissen, dass wir nach aller berechenbaren Wahrscheinlichkeit am ehesten beim Putzen des Bads oder im Auto eines unnatürlichen Todes sterben werden. Trotzdem bekommen wir keine Gänsehaut beim Anblick unseres Badezimmers. Autohersteller werden nicht von der Polizei überwacht, obwohl es, gemessen an den Todeszahlen, naheliegender wäre, einen »Krieg gegen den internationalen Straßenverkehr« auszurufen.“
Wie es scheint, haben nicht nur die Politiker im Wahlkampf das Internet als Sandkasten entdeckt, sondern auch die Journalisten. Und im Gegenzug zu jenen schreiben diese sachlich und mahnend. Hoffen wir, dass man auf sie hört.
Herzlichst
Ihr JeanLuc7