Wie ist das nochmal mit diesen Grundrechten?

Werte Leser:innen,

dieser Beitrag ist nicht für Sie gedacht, denn ich gehe davon aus, dass meine Leser:innen Bescheid wissen darüber, wie Grundrechte funktionieren. Aber leider stoße ich im Rahmen der Diskussionen um Corona-Regeln immer wieder auf Ahnungslose, denen die folgenden Punkte eine Hilfestellung sein mögen – ich werde diesen Beitrag zukünftig als Link nutzen, statt mich immer und immer wieder zu wiederholen in meinen Erklärungen.

Spielen wir also einmal exemplarisch das übliche Behauptung-Tatsachen-Spiel:

1) Das Grundrecht auf Unversehrtheit des eigenen Körpers hat Vorrang vor anderen.

Nein. Grundrechte stehen oft im Widerstreit zueinander; beispielsweise kommen Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit sich oft in die Quere. Es gibt aber keine „Supergrundrechte“ (übrigens schon mal gar keins auf „Sicherheit“, wie es ein ehemaliger Innenminister 2013 einmal behauptet hat). Im Gegenteil – auch das Grundrecht auf Unversehrtheit des Körpers (hergeleitet aus Art. 2.2 GG) kann aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden.

2) Es gibt kein Grundrecht auf Hedonismus und Partys.

Doch. Art. 2.1 GG besagt genau das: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“

3) Andere Bürger haben meine Grundrechte zu achten.

Nein – auch wenn es erst einmal seltsam klingt. Grundrechte sind Abwehrrechte gegen den Staat – der Staat muss sie achten und jedem Bürger garantieren. Die Bürger selbst sind durch BGB und StGB gebunden, müssen sich aber nicht grundrechtskonform verhalten. Wäre es so, dann dürften Reichsbürger und Nazis nicht frei herumlaufen, denn sie sie stehen außerhalb des Grundgesetzes. Und das darf man in Deutschland. Deshalb kann man von anderen Bürgern eben nicht fordern, dass sie das Recht auf Unversherheit des eigenen Körpers zu achten haben – man muss im Gegenteil eben auch selbst aufpassen, dass man nicht an Covid-198 erkrankt. Nichtsdestotrotz bleibt In-den-Raum-hinein-Niesen schlechtes Benehmen.

4) Der Staat gewährt die Grundrechte.

Nein, der Staat muss Grundrechte garantieren. Sie sind kein Geschenk der Regierenden, sondern sind von diesen im Umgang mit den Bürgern zu achten. Sie dürfen nur aufgrund von Gesetzen (bspw. dem Infektionsschutzgesetz) eingeschränkt werden, und dann muss auch das jeweils mildeste Mittel gewählt werden. Das herauszufinden, ist allerdings nicht einfach. Manche meinen, ein dreimaliger Pieks sei ein milderes Mittel als die Maskenpflicht, andere sehen es genau andersherum. Die Juristen stimmen überwiegend der zweiten Meinung zu.

5) Zeitungsforen und soziale Medien haben mein Grundrecht auf Meinungsfreiheit zu achten.

Nein. Zeitungsverlage sind im privaten Besitz, ebenso soziale Medien. Dort gilt das Hausrecht. So wie ich in meinem Haus keine homophoben Sprüche dulde, dürfen Zeitungen und soziale Medien selbst entscheiden, was sie veröffentlichen. Sie müssen dabei auch nicht neutral sein – auch wenn sie es meistens sind, weil das die wenigsten Nachfragen erzeugt. Meist haben Verlage sogenannte Netiquette, ein Kofferwort aus Net und Etiquette, die beschreiben, was die Teilnehmer bzw. Foristen dürfen, und wo das Hausrecht zuschlägt, beispielsweise bei Beleidigungen oder auch Falschmeldungen.

6) Mein Beitrag wurde gelöscht/gesperrt. Das ist Zensur!

Nein. Auch hier schlägt nur das Hausrecht zu. Schauen Sie sich Ihren Beitrag nochmal genau an. Beleidigungen? Unbewiesene Behauptungen? Unterstellungen? Persönliche Angriffe? Verschwörungstheorien? Zwar sind die Grenzen hier fließend, aber zumeist trifft wenigstens einer dieser Punkte zu. Als Zensur bezeichnet man übrigens staatliche Eingriffe in die Meinungsfreiheit. China macht das, dort haben Sie das Wort Tian’anmen kaum fertig getippt, da ist es schon von staatlicher Seite gelöscht. Zensur findet in Deutschland nach Art. 5.1 GG nicht statt.

7) Grundrechte dürfen nicht dauerhaft beschränkt werden.

Ja. Sollte aufgrund bestehender Gefahren eine Einschränkung nötig sein, muss sie befristet und regelmäßig überprüft werden. Deshalb laufen am 20.03. alle bestehenden Corona-Einschränkungen gemäß Infektionsschutzgesetz aus – lediglich eine einmalige, dreimonatige Verlängerung hätte das Gesetz noch erlaubt.

Jetzt ist sicherlich alles klarer.

Es grüßt herzlich

JL7

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