Freedom Day – oder doch eher „Maske forever“?

Werte Leser:innen,

am gestrigen Mittwoch (16.02.2022) hat die Runde der Ministerpräsidenten zusammen mit Kanzler und Gesundheitsminister über den weiteren Umgang mit den Corona-Maßnahmen entschieden. In drei Stufen sollen bis zum 20. März die meisten Maßnahmen und Einschränkungen entfallen – nur sogenannte „Basismaßnahmen“ solle uns erhalten bleiben. Dies sind vor allem:

  • FFP2-Maske drinnen und im ÖPNV. Das bedeutet, dass im gesamten Einzelhandel weiterhin die FFP2-Maske getragen werden muss. Offenbar ist man sich weitgehend einig, dass auch über das Ende der vom Infektionsgesetz vorgesehenen Frist (19. März) weiterhin Maßnahmen möglich sein müssen, und man will dazu ein spezielles Gesetz erlassen. Auch Abstand soll weiterhin gehalten werden.
  • 2Gplus in Clubs und Diskotheken: Das „Plus“ steht für einen Schnelltest für zeifach Geimpfte; Geboosterte sollen wohl ohne Test eingelassen werden. Offenbar ist auch den Regierenden klar, dass eine Maskenpflicht in Clubs eine allzu alberne Vorschrift wäre. Immerhin dürfen die Clubs ab dem 4. März wieder öffnen. In Bayern wären sie dann bereits über zwei Jahre geschlossen gewesen. Man darf gespannt sein, was dort überlebt hat.

Nun halte ich die Maske bei engen Zusammenkünften in Räumen durchaus für ein probates Mittel. Allerdings bezweifle ich nach wie vor, dass man sich ausgerechnet in Supermärkten und dem Einzelhandel so nahe kommt, dass sie verpflichtend nötig wäre. Die aktuelle RKI-Statistik weist jedenfalls nicht einen einzigen Fall aus, der auf den Einzelhandel zurückzuführen wäre. Die Pflicht verhindert aber effektiv, dass die Leute gerne shoppen gehen. Und sie verhindert auch vertrauensvolle Gespräche zwischen Verkäufer und Kunde, weil man schon seit zwei Jahren keine Mimiken im Gesicht des Kunden mehr erkennen kann – ein wichtiges Thema für einen guten Verkäufer.

Ebenso stelle ich Maske und Abstand infrage als Grundvoraussetzung für das Stattfinden von Demos. So wenig ich den Argumenten der Querdenker und „Spaziergänger“ abgewinnen kann – deren Demos vorab und auf Vorrat zu untersagen, weil erwartet wird, dass sie sich nicht an die Regeln halten, ist absurd. Denn im Freien besteht kaum Gefahr. sich zu infizieren. Und wenn die Leute sich bewegen (die Demo also durch eine Straße zieht), ist auch der Abstand kein Thema. Die Diskussion darum, dass die derzeit illegalen „Spaziergänge“ gewalttätig eskalieren, liegt vor allem an dem zwanghaften Festhalten an Maske und Abstand. Wären die Demos legal, müsste die Polizei wegen ihrer bloßen Existenz nicht eingreifen. Wären zudem Abstand und Maske optional, müsste die Polizei auch nicht wegen Verstoßes gegen Corona-Verordnungen eingreifen. Dann gäbe es nur das rechtsradikale Pack, auf das sie weiterhin ein Auge haben müsste – aber eben nicht auf einfache Impfgegner oder Impfpflichtgegner, so fragwürdig deren Argumente auch sein mögen. Ich erinnere einmal an Rosa Luxemburgs Aussage: Freiheit ist insbesondere auch die des Andersdenkenden.

Wie es derzeit ausschaut, bleibt uns aber die Maske als „Basisschutz“ weiterhin erhalten. Die Expertengruppe spricht gar lediglich von einer temporären Aufhebung der Pflicht – man können vielelicht im Sommer darauf verzichten, sie aber im Herbst wieder auspacken.

Wie gesagt: wenn sie sinnvoll ist, sollte die Maske eingesetzt werden. Beispielsweise sollte jeder in öffentlichen Inneräumen mit anderen Menschen eine tragen, der Erkältungssymptome hat. Aber eine generelle Pflicht, ohne dass der Nachweis erbracht ist, dass die inkriminierten Orte tatsächlich Pandemietreiber sind, halte ich für verfehlt. Wir müssen zurück zu einer Politik, die Grundrechtseinschränkungen – ja, auch eine Pflicht zum Maskentragen ist eine – begründet, statt deren Aufhebung mit Worten zu erklären. Die Einschränkung ist der Sonderfall, nicht die Aufhebung.

Kommen wir zuletzt dazu, wer mit der Maske eigentlich geschützt werden soll. Ein Viertel der Bevölkerumng ist ungeimpft, darunter auch drei Millionen, die bereits über 60 Jahre alt sind. Gerade diese Gruppe ist weiterhin gefährdet, sie erleidet überduchschnittlich oft schwere Verläufe. Sie hatte allerdings auch ein ganzes Jahr Zeit, sich impfen zu lassen – und hat es bewusst unterlassen. Nach meinem Verständnis hat der Staat gemäß Artikel 2.1 GG alles getan, um diese Gruppe zu schützen. Wenn sie selbst nicht wollen, gibt es kaum Argumente, sie durch Maßnahmen zwangsschützen zu wollen. Eine Impfpflicht Ü50/Ü60 würde das Problem vielleicht lösen, allerdings steht auch diese juristisch aus mehreren Gründen (sehr lesenswert!) auf tönernen Füßen.

Bis dahin werden wir in den Medien wohl noch viele Artikel lesen dürfen, die für Impfpflicht, Maskenpflicht und Verschärfungen von Maßnahmen trommeln: ZEIT Online, Spiegel, und Tagesspiegel  liegen da auf einer relativ einheitlichen Linie in ihren Rückzugsgefechten. Nur die FAZ scheint sich neuerdings aus dem „Team Übervorsicht“ zu verabschieden. (Die Links führen zu tagesaktuellen Artikeln zum Thema.) Uns die allgemeine Impfpflicht ab 18 als zwingend nötige Maßnahme zu verkaufen, dafür gab es ein Zeitfenster ab Mitte November letzten Jahres, das sich mit dem Auftreten der Omikron-Variante im Dezember 2021 wieder schloss. Jetzt ist sie – siehe oben verlinkter Artikel zum Verfassungsblog – nicht mehr zu rechtfertigen.

Sollte ich einen Blick in die Kristallkugel wagen, dann käme wohl folgendes heraus: durch die normative Kraft des Faktischen verschwindet die Maske nicht von heute auf morgen, sondern im Laufe des nächsten Halbjahres Stück für Stück. Einzelhändler werden die Maßnahmen nicht kontrollieren, bei persönlichen Beratungen wird die Maske abgenommen, bis es dann eher die Regel ist, sie nur noch auf Wunsch aufzusetzen. Demos werden masken- und abstandsfrei und trotzdem nicht zu Pandemietreibern. Und sollte im Herbst tatsächlich eine neue Welle drohen, werden die gesellschaftlichen Kontrollen wohl wieder schärfer, und viele werden sich von selbst schützen wollen. Nur: eine staatliche Pflicht halte ich nicht mehr für erforderlich.

Es grüßt herzlich

Ihr JL7

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Sie tun es immer noch…

Werte Leser:innen,

heute kann man auf der Webseite der FAZ wieder einmal einen Kommentar von Michael Hanfeld lesen. Hanfeld, das ist der FAZ-Journalist, der sich niemals zu schade ist, fragwürdige Aussagen zu verbreiten, wenn es ums Urheberrecht geht. Herrn Hanfelds einseitiger Kampf um das neue EU-Urheberrecht ist legendär. Hauptsache, das Leistungsschutzrecht, für das die FAZ in der Hauptsache kämpft, bleibt unangetastet.

Kürzlich verkämpfte er sich nach dem ersten Triell gleich zweimal: hatte er doch tatsächlich einen der von RTL nach dem Triell befragten Zuschauer gefunden, der nach der Sendung seine Stimme nicht hatte abgeben können, weil er telefonisch nicht durchgekommen war (hier (Paywall) und hier). Grund genug für Herrn Hanfeld, das Ergebnis (Scholz gewinnt mit weitem Vorsprung vor Laschet) grundsätzlich anzuzweifeln und stattdessen seine eigene Umfrage auf der FAZ-Seite zu präsentieren: 45% für Laschet, ale anderen dahinter. Nun, wer hätte es gedacht, dass die Leser einer konservativen Zeitschrift überwiegend für Laschet ticken?

Absurd wurde es, als die Kommentare zu seinem Beitrag denselben Gedanken äußerten wie ich und Sie: Hat der Mann etwa nicht begriffen, wie repräsentative Umfragen funktionieren? Denn Hanfeld griff selbst ein und kommentierte fleißig mit – uneinsichtig und in der Sache unbelehrbar.

Heute nun hat er sich Ströer vorgenommen, da geht es um dem Konzern untergejubelte AfD-Werbung. Nun macht dieser Konzern sein Geld mit Werbung – ob es da zu wenig Kontrolle gegeben hat, ist bisher unklar. Bemerkenswert ist aber der folgende Satz aus Hanfelds Kommentar:

Und apropos „politisch neutral“: Vor zwei Jahren, als es um die europäische Urheberrechtsreform ging, lancierte der Konzern massiv verkappte Werbung in eigener Sache und ließ von einer Tochtergesellschaft vermarktete Youtuber aufmarschieren, um gegen das Urheberrecht Stimmung zu machen.

Wen er damit meint? Natürlich Rezo und sein CDU-Zerstörungsvideo. Ich habe das schwierige Verhältnis der FAZ zu Rezo in einem früheren Artikel bereits beleuchtet. Rezo selbst hat die Behauptung, er sei von Ströer bezahlt worden, mehrfach glaubhaft zurückgewiesen. Trotzdem wird die FAZ nicht müde, diese Lüge immer wieder neu zu erzählen. Und da man seit dem letzten Jahr den Namen „Rezo“ nicht mehr nennt – Lord Voldemort lässt grüßen, Rezos drei aktuelle Videos blieben in der FAZ komplett unerwähnt – schreibt Hanfeld nun von „aufmarschierten Youtubern“, they wo must not be named.

Hanfeld hat nach meiner Einschätzung eine Agenda, er ist in meinen Augen nicht neutral in der Sache, wie es einst Hanns Joachim-Friedrichs als Leitbild des Journalismus vorgab:

„Einen guten Journalisten erkennt man daran, […] dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache; dass er überall dabei ist, aber nie dazugehört.“

Die FAZ bezeichnet sich selbst als Qualitätsmedium. Als ein solches würde ich mich mit dem Journalisten Hanfeld eher nicht schmücken wollen.

Es grüßt herzlich

Ihr JL7

P.S.: Die FAZ hat einen Kommentarbereich. Dort habe ich versucht, in ähnlicher Weise zu kommentieren. Der Kommentar wurde nicht veröffentlicht und sogar aus meiner Kommentar-Historie gelöscht, als habe er nie existiert.

P.P.S.: Ein zweiter Versuch führte zum selben Ergebnis: Komplette Löschung des Kommentars, als sei er nie geschrieben worden. Das ist armselig, liebe FAZ.

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Delta und Tagesschau.de – wie man aus einer guten Entwicklung ein Drama macht

Werte Leserinnen und Leser,

aktuell sehen wir täglich, wie die Zahl der Neuinfektionen durch SARS-CoV2 sinkt. Das ist eine ausgezeichnete und gute Nachricht. Doch halt! Jetzt kommt die Delta-Version des Virus, die sich bei uns „massiv ausbreitet„, denn ihr Anteil am Gesamtgeschehen ist binnen einer Woche von 3,7% auf 6,2% gestiegen. Das bedeutet ein Wachstum von 67% innerhalb einer Woche!

Daher warnen die Online-Publikationen unisono vor der Delta-Gefahr. Und mit dem Blick nach England, wo Delta tatsächlich für steigende Inzidenzen verantwortlich ist, zeigt man uns dann auch wieder die Folterwerkzeuge: Bloß nicht weiter lockern, es droht der Lockdown im Herbst! In Abwandlung eines FDP-Wahlspruchs aus 2017 also „Bedenken first, Grundrechte second“. Dass in Indien die Delta-Zahlen längst wieder sinken, wird nicht erwähnt.

Die Online-Medien finanzieren sich durch Werbung, insofern mag man verstehen, dass schlechte Nachrichten sich besser verkaufen als gute, weil sie höhere Klickzahlen bedeuten. Und daher lässt man gerne Informationen weg, die nicht so recht zum Artikel und seinem warnenden Grundton passen wollen. Hier und heute handelt es sich im Speziellen um die Frage, wie sich der prozentuale Anstieg in absoluten Zahlen – also in der Realität – darstellt. Lüften wir einmal das Geheimnis.

Dies sind die offiziellen Zahlen des RKI zu Personen, die sich mit der Delta-Variante infiziert haben:

KW 15 -> 6
KW 16 -> 32
KW 17 -> 55
KW 18 -> 86
KW 19 -> 92
KW 20 -> 114
KW 21 -> 89
KW 22 -> 75

Überraschenderweise kann man in den letzten zwei Wochen keinen Anstieg erkennen. Es haben sich in KW21 und KW22 jeweils weniger Menschen mit Delta infiziert als zuvor. Der Grund dafür ist einfach: die Gesamtzahl der Infizierten ist in der letzten Woche um mehr als 50% gefallen. Eine Beispielrechnung zeigt dann das ganze Ausmaß der Dramatik:

1000 Personen x 3,7% = 37
500 Personen x 6,2% = 32

Wer also in der Mittelstufe der Schule einigermaßen gut aufgepasst hat, kann diese Rechnung sogar im Kopf ausführen und stellt dann fest: Die Zahlen sinken. Wovor warnen die eigentlich? Tatsächlich bedeutet der prozentuale Anstieg von Delta hierzulande bisher lediglich, dass Delta langsamer schrumpft als Alpha – aber es schrumpft, und das auch noch in nur zweistelligen absoluten Zahlen. Von jeweils einer Million Bürger ist einer mit Delta infiziert.

Zurück zu den Online-Medien – es sei ihnen aufgrund ihrer Abhängigkeit von Klickzahlen verziehen, dass sie Artikel nicht mit Zahlen würzen, die die gewünschte Aussage verwässern. Und man muss fairerweise zugestehen, dass die Artikel mit Kommentarbereichen versehen sind, in denen die Leser dann die Aufgabe übernehmen, die fehlenden Zahlen nachzuliefern, so dass das Bild dann trotzdem vollständig wird.

Damit kommen wir zu tagesschau.de. Das ist ein aus unseren Haushaltsabgaben finanzierter ÖRR-Kanal der ARD-Tagesschau. Dort finden wir heute gleich drei Artikel zum Thema:

In allen drei Artikeln wird nur der prozentuale Anstieg genannt und dramatisiert, die absoluten Zahlen fehlen komplett. Sehr wohl wird aber das höhere Infektionsrisiko genannt: „schätzungsweise 60%„. Und dann folgt ein Blick in die Kristallkugel durch die Virologin Sandra Ciesek, die zum NoCovid-Fanclub gehört:

Man vermutet, dass die Delta-Variante sich schneller überträgt oder leichter übertragen wird als die Alpha-Variante“, sagte die Virologin Sandra Ciesek im NDR-Podcast „Coronavirus-Update“. „Ein bisschen unklar ist noch – aber die Befürchtung besteht aus frühen Daten aus England und Schottland -, dass eine Infektion mit der Delta-Variante auch zu einem erhöhten Risiko für eine Hospitalisierung, also für eine Krankenhausaufnahme führt.“

Die drei Hervorhebungen in Fettschrift stammen von mir – denn daran kann man gut erkennen, dass Frau Ciesek gar keine belastbaren Zahlen oder Argumente hat.

Mich ärgern hier zwei Dinge. Einerseits ist tagesschau.de werbefrei – man ist also nicht auf Klickzahlen angewiesen und sollte daher genau nach Faktenlage berichten. Alle drei Artikel sind aber in einem Tonfall geschrieben, nach dem man annehmen muss, dass morgen die Welt untergeht und wir spätestens übermorgen alle an Delta verstorben sein werden. Und zu allem Überfluss fehlt zweitens jede Möglichkeit, die Artikel zu kommentieren, so dass die Leser auch keine Chance haben, die fehlenden Informationen zu ergänzen. Das ist schlicht armselig – und für einen aus ÖRR-Geldern finanzierten Kanal untragbar. Die Tagesschau ist der Ausgewogenheit verpflichtet – aber diese drei Artikel sind die Ausgeburt von Panikmache.

Zuletzt noch zwei kurze Auszüge aus den tagesschau-Artikeln:

Die Delta-Variante gilt auch deshalb als riskant, weil sie offenbar etwas andere Symptome verursacht als die bisher bekannten Coronavirus-Varianten. Betroffene klagten über Kopfschmerzen, laufende Nase und raue Kehle. […] Das bedeute, dass sich Covid-19 für einige jüngere Menschen stärker wie eine einfache Erkältung anfühle.

Der SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach geht davon aus, dass die Delta-Variante in Deutschland im Herbst die dominierende Rolle spielen wird, weil sie deutlich ansteckender sei. Er hoffe, dass dies nicht zu einem großen Problem ausgerechnet für die Kinder werde, die nicht geimpft seien, sagte der Sozialdemokrat in den tagesthemen. „Die Geimpften werden mit der Delta-Variante keine Probleme haben“, betonte der SPD-Politiker.

Man fragt sich einerseits, warum es besonders riskant sein soll, wenn sich eine Corona-Infektion wie eine einfache Erkältung anfühlt. Ich dachte bisher immer, wir wollten mit den Impfungen genau da hin, weil wir Corona sowieso nicht ausrotten können? Und dann hatte ich ebenfalls vernommen, dass gerade Kinder so gut wie nie schwer erkranken. Warum also sollte Delta ausgerechnet für Kinder zu einem großen Problem werden, wenn sie doch nur Symptome einer einfachen Erkältung haben?

Bitte nicht falsch verstehen: Natürlich kann noch vieles geschehen im Rahmen von Corona. Aber die täglichen Panikmeldungen, die nur aufgrund weggelassener Informationen überhaupt panisch klingen, die müssen aufhören. Es sind dann schlicht Fake News – und der ÖRR darf so etwas nicht in dieser Form verbreiten.

Zuletzt noch der Hinweis: Bitte lassen Sie sich impfen! Die Impfung schützt zuverlässig auch vor der Delta-Variante, und Sie schützen damit auch Ihr Umfeld. Überall in Deutschland sind Impftermine mit Vaxzevria (dem Astra-Zeneca-Impfstoff) verfügbar – bitte nehmen Sie sie wahr.

Es grüßt herzlich

Ihr JL7

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Die Ohnmacht des Superlativs

Werte Leserinnen und Leser,

Nach nunmehr 15 Monaten, die wir uns mit der Corona-Pandemie beschäftigen, könnte man denken, es sei eine gewisse Gewöhnung zu beobachten, und tatsächlich ist das auch so. Die allermeisten Menschen tragen beim Einkaufen und im ÖPNV Masken, und inzwischen sogar jene vom FFP2-Typ, der nicht nur andere, sondern auch den Träger schützt. Man hält Abstand beim Einkaufen – es ist sehr lange her, dass mir das letzte Mal jemand an der Kasse im Supermarkt in den Nacken geatmet hat.

Es ist auch eine gewisse Gewöhnung eingetreten in der Handhabung der Maßnahmen, die man nicht so dolle findet, beispielsweise den Kontaktbeschränkungen. Ich kenne niemanden, dessen soziales Leben auf dem Stand von Januar 2020 wäre, auch wenn man sich das eine oder andere Mal nicht an die Beschränkung „Haushalt plus eine Person“ hält, weil sie nur unter lebensfremden Umständen umsetzbar ist.

Selbst die Ausgangssperre der „Bundesnotbremse“ wurde weitgehend unwidersprochen eingehalten – wohl deshalb, weil sie vergleichsweise gut durch die Exekutive (Polizei) kontrollierbar ist. Ich persönlich halte sie für verfassungswidrig, da sie eindeutig nicht das mildeste Mittel einer Grundrechtseinschränkung ist. Man wird sehen, ob das BVerfG es auch so sieht – in jedem Fall kommt seine Entscheidung zu spät, weil das zugehörige Gesetz Ende Juni ausläuft – sofern Söder und Merkel sie nicht verlängern. Aufgrund sinkender Inzidenzen wird sie ohnehin letztlich bedeutungslos.

Ich empfinde es allerdings inzwischen als unerträglich, wenn die täglichen Warnungen vor Lockerungen und neuen Mutanten regelmäßig mit einem Superlativ (oder dessen Alternativformen) aufgepeppt werden müssen. Man liest dann von der „Gefahr massiver Steigerungen der Inzidenzen“ durch Mutanten, einer „extremen Überlastung des Gesundheitssystems“ und Escape-Varianten, die „alles noch viel schlimmer“machen werden. Das Wort „exponentiell“ hat sich so weit abgenutzt, dass inzwischen statt dessen „explosiv“ benutzt wird. Physikalisch ist eine Explosion übrigens lediglich ein exponentielle chemische Reaktion, die nach sehr kurzer Zeit zusammenbricht – gerade nicht das, was die Apologeten uns erklären wollen.

Nun wissen wir, dass das Innenministerium schon im März 2020 beim RKI ein Papier angefordert hat, das laut Staatssekretär Markus Kerber dazu dienen solle, „weitere Maßnahmen präventiver und repressiver Natur“ planen zu können. Ich zitiere aus einem Bericht der WELT:

Das erst Wochen später veröffentlichte Papier bezifferte schließlich ein Worst-Case-Szenario, laut dem mehr als eine Million Menschen am Coronavirus sterben könnten, liefe das Leben weiter wie vor der Pandemie. Es wurden Vorschläge gemacht, wie man die „gewünschte Schockwirkung“ erzielen könne, um diesen Fall zu vermeiden. Man müsse in den Köpfen der Menschen Bilder entstehen lassen: „Viele Schwerkranke werden von ihren Angehörigen ins Krankenhaus gebracht, aber abgewiesen und sterben qualvoll um Luft ringend zu Hause.“

Ein Jahr später im März 2021 alarmierten uns das RKI, die NoCovid-Gruppe um Brinkmann und Priesemann, Karl Lauterbach und andere, dass uns wegen der britischen Mutante B.1.1.7 ein erneuter Anstieg der Inzidenzen bevorstehe. Natürlich war dieser Anstieg „massiv“, „exponentiell“ oder gar „explosiv“ – auf bis zu 2000 sollte die Inzidenz im Mai klettern. Andere sprachen von bis zu 100.000 Infizierten – pro Tag! Die ZEIT veröffentlichte gar ein bespielbares Diagramm, in dem man den Anstieg der Infektionen anhand der Reproduktionszahl mit Schiebereglern nachvollziehen durfte – mit exponentiellem Verlauf bis ins Endlose im Juni. Das alles zu Zeiten, als die Inzidenzen der britischen Mutante in Großbritannien bereits seit Mitte Januar sanken. Man hätte daraus folgern können, dass es offenbar Maßnahmen gab, die auch gegen B.1.1.7 wirken, aber daraus lässt sich nun einmal kein Drama konstruieren.

Das alles traf nicht ein, und nun lernen wir ein neues Wort, das „Präventionsparadoxon„. Dahinter steckt die Vorstellung, dass beispielsweise in Deutschland der Wald in den 80ern nicht gestorben ist, weil man frühzeitig Katalysatoren in Autos und Rauchentschwefelungsanlagen in Kraftwerke eingebaut hat. Und soweit ist das auch richtig – es gilt natürlich auch für die Pandemie.

Nun aber die falschen Prognosen genau damit zu erklären, halte ich aber für absurd. Denn anders als in den frühen 80ern kannte man im März 2021 die Corona-Maßnahmen bereits und hätte sie sehr wohl in die Modelle einbeziehen können. Denn es stand doch niemals zur Debatte, alle Maßnahmen sofort aufzuheben und dadurch tatsächlich eine unkontrollierte Verbreitung des Virus zu ermöglichen. Worst-Case-Szenarien zu entwerfen und diese – und nur diese – dann öffentlich zu verbreiten, das ist genau die „gewünschte Schockwirkung„, die das Bundesinnenministerium schon im März 2020 erzielen wollte.

Zum Glück haben sich nur wenige Bürger davon beeindrucken lassen. Die meisten haben ihr Leben weitergeführt, sich mit den Maßnahmen mehr oder weniger arrangiert, und die Inzidenzen sanken schließlich, nachdem sie wegen der erhöhten Testquote und der damit verbundenen Aufhellung des Dunkelfeldes zunächst anstiegen.

Ein paar Worte noch zur Überlastung des Gesundheitssystems. Man darf sich fragen, ob statt einer „massiven“ nicht auch schon eine „normale“ Überlastung ein Problem darstellt, aber sei es drum. Denn da sah es im April tatsächlich eng aus – allerdings nie so eng wie im Dezember 2020 und Januar 2021. Im Gegensatz zum All-in-One-Indikator Inzidenz ist allerdings die Bettenauslastung tatsächlich ein wichtiger Indikator, denn hier fallen alle Infektionen mit asymptomatischem oder leichtem Verlauf heraus.

Die Bundesregierung nimmt das allerdings bis heute nicht zur Kenntnis – einzig die Inzidenz zählt. Inzidenz – das ist die Zahl, vor der selbst das RKI heute (Montag, 17. Mai) warnt:

Aufgrund des Feiertags am 13.05.2021 ist bei der Interpretation der Fallzahlen zu beachten, dass an Feier- und Brückentagen weniger Personen einen Arzt aufsuchen, wodurch auch weniger Proben genommen und weniger Laboruntersuchungen durchgeführt werden. Dies führt dazu, dass weniger Erregernachweise an die zuständigen Gesundheitsämter gemeldet werden.

Oder kurzgefasst: „Wir können nicht genau sagen, wie hoch die Inzidenz in den Landkreisen und Städten heute ist“. Keine guten Voraussetzungen, wenn man bedenkt, dass aufgrund dieser Zahl erhebliche Grundrechtseinschränkungen verfügt wurden und deren Aufhebung nun daran hängt, dass diese Zahl fünf Werktage nacheinander den magischen Wert von 100 unterschreitet. Da möchte man schon mehr Gewissheit als eine „Interpretation der Fallzahlen„.

Merke: Der Superlativ und seine alternativen Formen sind nötig für ernste Fälle. Wer sie regelmäßg benutzt, sei es, um sich Gehör zu verschaffen oder weil man glaubt, die Bevölkerung durch angst und Schrecken in den Schranken zu halten, dem sei gesagt, dass selbst der schärfste Superlativ seine Wirkung schnell verliert, wenn man ihn unberechtigt einsetzt. Und danach hört niemand mehr zu. Und leider gilt das dann auch für die Zukunft und andere Bereiche. Wer das nicht will, sollte abrüsten. Die notwendige Information kommt auch an, wenn die Intensivstationen massiv überlastet sind, die Lage noch nie so ernst ist und neue Mutanten äußerst kritisch zu bewerten sind.

Es grüßt herzlich

Ihr JL7

 

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Neubauer, Maaßen und der Antisemitismus

Werte Leserinnen und Leser,

lassen Sie mich diesen Text mit einem Zitat beginnen:

„Sie legitimieren rassistische, antisemitische, identitäre und übrigens auch wissenschaftsleugnerische Inhalte, verkörpert durch Hans-Georg Maaßen. Dazu hätten Sie ganz klar etwas sagen müssen, das hätten Sie ganz klar verurteilen müssen.“

Es stammt von Luisa Neubauer, die am Sonntagabend (09. Mai 2021) in Anne Wills Talkshow saß. Die Worte waren gerichtet an Armin Laschet, der ebenfalls Gast der Sendung war.

Natürlich kam es, wie es kommen musste, wenn jemand das Wort „Antisemitismus“ in Zusammenhang mit Politikern bringt, die nicht der AfD und der Linken angehören. Laschet war sich sofort sicher, dass Maaßen kein Antisemit sei. Und tags darauf berichten die Zeitungen von vielen, die Frau Neubauer deutlich zeigten, was sie von ihrer Aussage hielten, beispielsweise die CDU-Politikern Karin Prien auf Twitter:

Liebe

solche vollkommen haltlosen und infamen Vorwürfe gegen

vergiften die gesellschaftliche Debatte. So dürfen Demokraten auch in Wahlkampfzeiten nicht miteinander umgehen. Schlimmer noch: Sie schwächen leider den Kampf gegen den Antisemitismus.

Tatsächlich gilt der Vorwurf Neubauers in erster Linie Herrn Laschet, der sich ihrer Meinung nach hätte abgrenzen müssen. Ist aber die Forderung, sich abzugrenzen, „haltlos“ oder gar „infam„? Beides passt nicht. Man gewinnt eher den Eindruck, Frau Prien beziehe die Attribute auf Laschet und nicht auf Maaßen, denn den erwähnt sie gar nicht.

Die ZEIT schaffte es nicht einmal, das Zitat im Wortlaut zu veröffentlichen, sondern verkürzte es von vier auf zwei Attribute:

Neubauer hatte Maaßen am Sonntagabend in der ARD-Sendung Anne Will vorgeworfen, „rassistische und antisemitische Inhalte“ zu verbreiten. […] Neubauer warf Maaßen konkret vor, Inhalte antisemitischer Blogs zu verbreiten.

Es bleibt dabei das Geheimnis der ZEIT, ob sie die weggelassenen Vorwurfsattribute für weniger kritisch hält oder aber der Meinung ist, Frau Neubauer läge damit richtig.

Ich muss zugeben, ich kann in dem vollständigen Zitat oben nicht so allzu viel konkrete Vorwürfe entdecken; der Name „Maaßen“ fällt erst am Schluss. Aber natürlich, man kann es so sehen wie Herr Maaßen, dem ZEIT und FAZ natürlich gleich eine Bühne gaben:

„Das sind für mich halt- und beleglose Behauptungen, die ich energisch zurückweise“, sagte der ehemalige Bundesverfassungsschutzpräsident der Nachrichtenagentur dpa. Neubauer habe keinerlei Belege für ihre Behauptungen. Heutzutage könne über alle alles gesagt werden, sagte Maaßen. „Es ist eine Verrohung des politischen Diskurses, die man zur Kenntnis nehmen muss.“

Und jetzt mal kurz innehalten. Haben Sie es bemerkt? Jetzt reden plötzlich alle nur noch über Antisemitismus. Was aber ist mit den anderen Attributen? Ich wiederhole sie einmal:

rassistische, antisemitische, identitäre und übrigens auch wissenschaftsleugnerische Inhalte

Maaßen, selbst ausgemachter Spezialist bei der Verrohung des politischen Diskurses („Linksradikale Kräfte in der SPD„, netzpolitik-Landesverrat-Affäre, Snowden ist ein russischer Spion), nutzt allerdings seinen Twitter-Kanal und seine Auftritte sehr wohl dazu, Inhalte von Blogs zu teilen, die von fragwürdigen Rechtsaußen-Autoren mit fragwürdigen Inhalten bestückt werden. Er teilt rassistische Inhalte zu Flüchtlingen und deren angeblichen Straftaten. Er verharmlost immer noch den rechtsextremen Terror. Er steht jenen nahe, die sämtliche Corona-Maßnahmen ablehnen. Er hat dem FDP-von-Gnaden-der AfD-Ministerpräsidenten Kemmerich gratuliert:

„Großartig! Hauptsache, die Sozialisten sind weg.“

Oder kurz gesagt: sämtliche Vorwürfe von Frau Neubauer sind richtig – außer der Sache mit dem Antisemitismus. Die ist schon deswegen nicht beweisbar, weil die Autoren von „politically incorrect“  und der „Achse des Guten“ und weiteren Blogs (nein, keine Links dahin) dazu viel zu vorsichtig sind. Hetze gegen Flüchtlinge, Muslime, Ausländer und Linke wird bei uns hingenommen, wenn sie unter der Aufforderung zur Gewalt bleibt. Antisemitismus wird nicht hingenommen und führt zur Ächtung des Autors – und das wollen die Herren Autoren keinesfalls. Wobei die Ächtung richtig ist – aber in den Köpfen jener, die antisemitisch denken, doch keinerlei Veränderung bewirkt. Dies noch: jeder Vierte denkt laut SZ antisemitisch

Was lernen wir daraus: Du kannst so viel Richtiges sagen, wie Du willst – aber vergreife Dich nie ohne hieb- und stichfeste Beweise am Vorwurf des Antisemitismus. Dann erlebst Du, dass der Angegriffene härter kämpft, als wenn seine Kinder in Gefahr wären. Und vor allem sind danach alle deine guten Argumente und richtigen vorwürfe ebenfalls nichts mehr wert, denn darüber schreibt niemand mehr – man würde ja den Widerspruch des Angegriffenen relativieren.

Und so schafft es einer wie Maaßen immer wieder, Beifall von ganz rechts zu bekommen und trotzdem selbst scheinbar so sauber zu bleiben, dass ihm die halbe CDU beispringt und darüber hinaus noch andere. Ich wiederhole mich: dieser Mann ist gefährlich.

Es grüßt herzlich

Ihr JL7

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